Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)
wie dunkel. Mit allem hätte ich gerechnet nur nicht damit, dass ich in dieser Gegend auf einen Mann mit einer Flinte stoßen könnte.
Er sagte: „ Ganz ruhig, Hauptmann!“, und sah aus, als meinte er es auch so. Dann fragte er, was ich hier mitten in der Wildnis triebe.
Ich redete mich mit der Geschichte heraus, die ich mir immer wieder für solche Fälle zurechtgelegt hatte: Ich käme von der Front, das Flugzeug, mit dem ich unterwegs gewesen war, sei abgestürzt, die Männer, die mit mir an Bord gewesen seien, wären alle tot.
Steffens nahm die Flinte aus dem Anschlag und fragte WO das Flugzeug abgestürzt sei.
Ich wies nach Norden und antwortete, es läge zwei Tagesmärsche von hier auf einer Lichtung.
Er gab sich zufrieden, trat näher und forderte mich auf, ihn zum Gut zu begleiten.
Welches Gut, fragte ich. Bülow, sagte er, keinen Kilometer östlich von hier.
Panzergrenadier, fragte er und meinte damit den Kragenspiegel auf meinem Uniformmantel.
Ich erklärte ich sei Sanitätsoffizier, hätte mir nur die Uniform eines toten Kameraden angeeignet, weil meine eigene beim Absturz zum Teufel gegangen sei.
Dünnes Eis, ich weiß. Ein oder zwei tiefer gehende Fragen, und ich hätte mit leeren Händen dagestanden. Aber er sah wohl noch keinen Grund, mir und meiner Geschichte zu misstrauen.
IV.
„ Wenn ich tot bin wird mein Staub nach Dir schreien“
Heiner Müller 1979 „ Abschiede“
Die Toten sind nicht tot, solange man sich an sie erinnert. Liebe stirbt nicht einfach so. Sie mag sich ja mit den Jahren abnutzen. Aber Catherina und ich – wir hatten ja kaum ein paar Tage zusammen. Längst nicht genug Zeit, als dass unsere Liebe sich hätte abnutzen können, oder schal werden.
„ Wer ist das?“, hat sie Steffens gefragt, als wir auf dem Gut ankamen und über mich hinweggesehen.
„ Ein Hauptmann, ist mit dem Flugzeug abgestürzt.“
Jakob Weiss, sagte ich und reichte ihr die Hand. Jakob Weiss – der Name des Mannes, dessen Uniform ich gestohlen hatte.
Sie ignorierte meine Hand, aber nannte mir ihren Namen. „Sie sehen furchtbar aus, Hauptmann Weiss“, sagte sie dann noch bevor sie sich umdrehte und ins Haus zurückging.
Das war nicht so ganz das, was man unter einer herzlichen Begrüßung versteht, oder?
Aber keine zwanzig Minuten, nachdem ich ihr Haus betreten hatte, stand ich in einem der Gästezimmer und sah in einen Spiegel. Ich hatte seit Jahren in keinen Spiegel mehr gesehen. Jedenfalls nicht so, wie ich es an diesem Tag getan habe. Mein Gesicht kam mir so fremd vor. Fremd und alt. Irgendwie hatte ich erwartet noch genauso auszusehen, wie in Paris, mit dreißig.
Aber das Gesicht im Spiegel hatte einen wilden graumelierten Bart und merkwürdig tote Augen. Das war nicht ich, dachte ich. Das war Jakob Weiss. Merkwürdigerweise tröstete mich das. Ich begriff es als Herausforderung. Weißt Du – ein völlig neues Leben. Die Schrift auf der Tafel noch einmal ausgelöscht. Aber Masken sind eigensinnig. Trägst Du sie nur um einen Tick zu lange, wirst du sie nie wieder vollständig los. Etwas von ihnen bleibt an dir hängen. Ich weiß nicht wieso. Ich weiß nur, dass es so ist. Ich habe es erlebt.
Ich war noch dabei mich zu waschen, stand immer noch nur in Unterhosen vorm Spiegel, als sie ohne anzuklopfen hereinkam.
Paris / 1969
„ Ganz schön unverschämt, Deine preußische Gräfin.“
„ Sie war keine Gräfin. Ich glaube, sie war selbst nicht einmal adlig, nur ihr Mann ist es gewesen. Unverschämt? Ich weiß nicht. Sie war eben gewohnt sich zu nehmen, was sie wollte. Sie hat nie lange darum herum geredet. Sie war ziemlich eigensinnig. Vielleicht kam das von dem Land auf dem sie lebte. Es war hart und wild dort, aber auch schön. Selbst im Winter, wenn du vor lauter Nebel und grauen Wolken meintest, dass die Sonne für immer Urlaub von dort machen würde. Dieses Land brauchte eigensinnige Menschen. Andere hielten es da nicht lange aus.“
Ein Polizist erschien, schloss den Käfig auf und las einen Namen von einem Zettel ab. Achselzuckend erhob sich eines der Mädchen und folgte ihm nach draußen.
„ Das war Miou – die haben sie mit dem kleinen Dürren von vorhin erwischt. Heute sind sie wirklich gründlich. Kann noch ewig dauern bis wir dran sind.“
Wajda sah wieder auf die Uhr.
„ Eigentlich sollte ich in meinem Hotel jetzt eine Rede halten.“
„ Vergiss es. Wenn wir vor morgen früh hier
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