Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)
knüpfte er das Gespräch schließlich wieder an, “wie lange sie uns hier warten lassen?“
„ Die Freier lassen sie am längsten schmoren. Die haben Angst vor dem Skandal. Wenn sie lange genug gewartet haben, werden sie so nervös, dass sie den Bullen alles erzählen, was die hören wollen, nur damit sie zu ihren Frauen nach Hause zurück können.“
Was, fragte sich Wajda, sage ich bloß dem Konsul, wenn er kommt, um mich hier herauszuholen? Professor Wladislaus Wajda, der Chefarzt des Regierungskrankenhauses in Warschau ist bei einer Razzia in einer Pariser Absteige mit einer Hure erwischt worden? Andererseits: er war unverheiratet und er hatte Beziehungen. Sie würden ein bisschen Wirbel machen, es aber am Ende wohl doch vorziehen, das Ganze nicht an die große Glocke zu hängen. Und abgesehen davon – gab es immer noch diese andere Möglichkeit. Paris war die einzige Chance, die er wohl jemals kriegen würde, sie in die Tat umzusetzen.
„ Wladislaus? Hast Du eine Frau, zu Hause? Kinder? Irgendwen der auf Dich wartet?“ Aufgeschreckt schüttelte er den Kopf.
„ Nein. Es gab mal eine, die ich geliebt habe. Aber sie war eine Deutsche. Und der Zeitpunkt, war verdammt schlecht gewählt.“
„ Erzähl – wer war sie?“
„ Sie hieß Catherina von Baruth. Ob Du es glaubst oder nicht: Sie hätte im Kleid einer Putzfrau zu einem Hofball gehen können, ohne dass irgendwer auch nur auf die Idee gekommen wäre, sie gehörte da nicht hin.“
Natalie warf vergnügt den Kopf zurück und sah Wajda lachend an.
„ Gott, Wladislaus – keine Frau, wenn sie denn wirklich eine Frau ist, würde im Kleid einer Putzfrau zu einem Hofball gehen. Du musst wirklich verliebt gewesen sein…“
„ Das war ich. Selbst wenn es eine Weile gedauert hat, bis es mir klar geworden ist. Merkwürdig, wie man sich manchmal weigert sich so was klar zu machen.
Ich habe sie auf der Flucht kennen gelernt. Sie war eine richtige preußische Adlige. Groß und schlank, mit braunen Haaren und grünen Augen. Sie hieß Catherina - Catherina von Baruth.“
Aber bevor ich sie getroffen habe, traf ich ihren Gutsverwalter. Er hieß Steffens. Und schon sein Vater hatte auf dem Gut auf dem sie lebte, als Verwalter gedient. Steffens war damals schon ein alter Mann. Älter als ich heute.
Eines Tages sah ich seine Ulanenuniform aus dem Ersten Weltkrieg im Schrank. Neben Rock und Hose hingen peinlich geputzt und geölt Säbel und Pistole am Koppel. So, als warteten sie darauf, eines Tages wieder in den Kampf geführt zu werden. Steffens war ein ganz besonderer Mann. Einer von der Sorte wie sie immer schon ziemlich selten waren. Eigensinnig und stark. Er liebte das Land und wahrscheinlich liebte er seine Pferde sogar mehr als die Menschen.
Für Max, Catherinas Neffen, muss er wie ein Großvater gewesen sein. Und für Catherina selbst eine Art Freund. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass sie viel miteinander geredet haben.
Steffens war ein verschlossener, stiller Mann. Worte waren nicht seine Sache.
Catherina erzählte mir einmal, er hätte seinen Sohn mit der Reitpeitsche aus dem Haus gejagt, als er erfahren hatte, dass der sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet hatte.
Steffens hatte bestimmt nichts gegen die SS, an sich. Ich glaube sogar, dass er nicht einmal wirklich wusste, was das für ein Haufen war.
Doch, dass sein Sohn drauf und dran war, sich freiwillig als Kanonenfutter zu melden war etwas mit dem er nicht fertig wurde. So ein Mann war das.
Ich mochte ihn.
Was soll ich sagen? Über meinen Weg nach Bülow, Catherinas Gut, ist nicht viel zu berichten: ich ging allein, ich fror, ich wagte kaum ein Feuer anzuzünden. Doch ich hatte zu essen und Cognac in der Flasche, die ich zusammen mit dem Rest meiner spärlichen Vorräte in die Decke gewickelt hatte.
Ein grauer Tag, wie der zuvor, schwere Nebelschleier über Unterholz und Bäumen.
Ich hatte das Gefühl durch verwunschenes Land zu ziehen. Ewigkeiten weit weg von anderen Menschen, Lichtern, Straßen und Häusern. Und zum ersten Mal seit Tagen hatte ich beschlossen, ein Feuer anzuzünden. Gerade wühlte ich unter dem Schnee nach einem Stück halbwegs trockenen Laubs oder Moos, mit dem ich mein Feuer hätte anzünden können. Plötzlich trat ein Mann mit einer Flinte im Anschlag hinter einem Baum hervor.
Ich muss ein merkwürdiges Bild abgegeben haben: mitten in der Wildnis, auf den Knien, die Händen tief in den Schnee gegraben.
Es war schon so gut
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