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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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von dem auch der Bogen des Wunschbrunnens stammte, hatte sie der Witterung ein wenig besser getrotzt – sie war aus stärkerem Eisen gemacht, und Maeve hatte sie pfleglicher behandelt und sie jedes Jahr mit Rustoleum, einer Schiffsanstrichfarbe, gestrichen. Sie folgte Patricks Blick, der nachdenklich die Bank betrachtete.
    Vier Personen hatten darauf Platz. Die Verstrebungen der Sitzfläche hingen in der Mitte leicht durch; Armlehnen und Füße waren mit viktorianischen Schnörkeln verziert. Aber das eigentliche Kunstwerk war die Rückenlehne. Vier Szenen waren darauf zu sehen – alle mit einem jungen Mann und einem jungen Mädchen, die unter einem Baum saßen.
    »Die Vier-Jahreszeiten-Bank«, sagte er. »Frühling, Sommer, Herbst und Winter.«
    »Ja.« Maeve nahm die gelben Stiefel, während er die Gießkanne trug, hakte sich bei ihm unter und ging mit ihm über den schmalen Steinweg zur vorderen Eingangstür ihres Hauses. »Mein Vater ließ sie für meine Mutter anfertigen, von demselben Kunstschmied, der auch den Bogen über dem Wunschbrunnen gemacht hat. Sie symbolisiert den Lauf der Zeit.«
    Den Lauf der Zeit – seit Maras Verschwinden, seit Patrick angefangen hatte, nach ihr zu suchen. Die jungen Leute wunderten sich heutzutage stets über Dinge, die Bestand hatten. In diese Kategorie der ›jungen Leute‹ schloss sie Patrick ein – den sie auf fünfundvierzig schätzte. Sie lebten in einer Wegwerf-Gesellschaft, wie sich Maeve und Clara immer sagten. Sie waren beide empört über die Plastikverpackungen, in denen die Waren auf den Markt kamen. Ganz zu schweigen von der Unart der wohlhabenden jungen Leute, die schmucken Cottages in der Gegend aufzukaufen, abzureißen und monströse Bauwerke auf den Grundstücken zu errichten. Sogar hier auf Hubbard’s Point war diese Gewohnheit inzwischen gang und gäbe.
    »Wollen Sie meine Theorie hören?«, fragte Maeve.
    »Natürlich.« Sie öffnete die Eingangstür und ging ihm voraus. Die Küche, im Schatten gelegen, war kühl, und eine frische Meeresbrise wehte durch die geöffneten Fenster.
    »In Zukunft, in nicht allzu ferner Zukunft, werden Anwesen wie dieses ein Vermögen wert sein. Mit malerischen kleinen Häusern, die sich in die Landschaft schmiegen. Die reichen Käufer machen alles kaputt – sie fällen die alten Bäume, stampfen die Cottages ein und ziehen ihre protzigen Villen hoch.«
    »Sie bilden sich ein, dass sie damit den Wert ihrer Immobilie erhöhen.«
    »Ich habe gehört, was mit der Hafenanlage passieren soll. Das tut mir leid. Es handelt sich haargenau um das gleiche Phänomen. Sie werden sehen, eines Tages, wenn die Leute die Nase voll von ihren riesigen Häusern mit Klimaanlage und Luxus-Whirlpool haben, werden sie sich nach einem idyllischen Cottage wie diesem sehnen. Eines, das sich nahtlos in die Küstenlandschaft einfügt. Ich fürchte, wenn das so weitergeht, wird Mara bei ihrer Rückkehr das Cottage nicht mehr wiedererkennen, bei all den hässlichen Bauten, die wie Pilze aus dem Boden schießen.«
    »Sie würde es erkennen. Überall.«
    »Ja, sie hat das Bild in ihrem Herzen bewahrt.« Maeve öffnete den Kühlschrank und holte einen großen Krug Eistee heraus. Auf der Oberfläche schwamm Minze aus dem eigenen Garten, und sie goss den Tee durch ein Sieb in hohe Kentucky-Derby-Gläser. Dann füllte sie eine Schüssel mit Wasser für Flora, und der Hund trank durstig.
    »Erzählen Sie mir von ihr.«
    »Sie wissen alles, was es von meiner Enkelin zu wissen gibt. Vermutlich genauso viel wie ich.«
    »Niemand weiß so viel wie Sie über Mara. Geben Sie sich einen Ruck – erzählen Sie mir etwas von ihr, was ich noch nicht weiß.«
    Maeve runzelte die Stirn. Was konnte oder sollte sie ihm erzählen? Als sie nun die grau-gelbe Küche verließen – vorbei an dem mit einem Ende in der Wand verankerten Holztisch, den Maeve eigenhändig mit bunten Blumen und Figuren bemalt hatte, lange bevor solche Dinge als Dekorationsobjekte in Mode kamen – und um die Ecke in das Wohnzimmer mit seinem weiträumigen Blick auf den Long Island Sund bogen, ging Maeve eine Fülle von Gedanken und Erinnerungen durch den Kopf.
    Mara als Baby; als Dreijährige, die schwimmen lernte; mit sechs eine Leseratte war; als Teenager von Jungen umlagert wurde, die sich so oft in sie verliebten, wie der Ostwind wehte; als erfolgreiche Stickbild-Designerin und als junge Frau, verheiratet mit Edward Hunter.
    »Was für eine Geschichte soll ich Ihnen erzählen? Aus welcher

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