Wolken über der Wüste
selbst wenn sie zu Hause war. Sie arbeitete sechs Tage in der Woche bei einem Juwelier, und sie glaubte anscheinend, dass mein Vater ihr nicht das Leben bieten konnte, das sie verdiente. In ihren Augen war er ein Versager, und sie ließ keine Gelegenheit aus, ihm das auch zu sagen.“ Sie verzog das Gesicht bei dieser schmerzlichen Erinnerung. „Eines Tages fuhr er wie üblich zur Arbeit, und nachmittags bekamen wir einen Anruf. Man sagte uns, dass er offenbar unterwegs gewesen war, um mit dem Vizepräsidenten zu sprechen, vielleicht wegen einer Gehaltserhöhung, und dass er da plötzlich zusammenbrach. Er starb an einem Herzinfarkt. Man versuchte alles, aber es war zu spät.“
„Das tut mir wirklich Leid. Es muss furchtbar für Sie gewesen sein.“
„Ja. Meine Mutter schien allerdings kaum zu trauern. Und drei Monate später tauchte Kurt auf, und ab da war ich abgemeldet.“
Beide schwiegen. Schließlich sagte Pierce: „Ich habe überhaupt nie eine Familie gehabt. Meine Eltern starben bei einem Flugzeugunglück, als ich noch zur Grundschule ging. Ich habe dann bei meinem Großvater väterlicherseits in den USA gelebt. Er besaß eine kleine Öltankerflotte und eine unbedeutende Baufirma. In die trat ich ein. Ich habe das Geschäft von Grund auf gelernt, musste auch die anstrengenderen Arbeiten tun. Großvater hat mich nie verwöhnt, doch er hat mich geliebt. Er war Grieche und in jeder Beziehung noch sehr der alten Heimat verhaftet, auch nachdem er schon amerikanischer Staatsbürger geworden war.“ Er musste lachen, als er an den brummigen alten Mann dachte. „Ich liebte ihn sehr, trotz seiner altmodischen Ansichten.“
„Aber Ihr Nachname klingt doch überhaupt nicht griechisch?“
„Ursprünglich hieß Großvater Pevros, er hat den Namen dann in Hutton geändert, nach einer reichen amerikanischen Familie, über die er etwas gelesen hatte. Er wollte so amerikanisch wie möglich sein. Ich habe immer noch meine französische Staatsangehörigkeit, aber ich bin auch schon beinahe Amerikaner, da ich mein halbes Leben in New England verbracht habe.“
„Sie sagten, Ihr Großvater hatte eine unbedeutende Baufirma“, sagte sie langsam. „Ihr Bauunternehmen hat doch jetzt einen internationalen Ruf.“
Er hob die breiten Schultern und ließ sie wieder fallen. „Ich hatte irgendwie einen sechsten Sinn, was Fusionen angeht, und das hat sich bezahlt gemacht. Ich verkaufte die Tankerflotte und baute mit dem Erlös letzten Endes ein Unternehmen auf, das der Kern eines Wirtschaftsimperiums wurde.“ Er betrachtete sie prüfend. „Margos Vater besaß eine Kette von Baumärkten in Europa.“ Er schwieg und sah vor sich hin. „Die Fusion führte auch zu der Heirat und den zehn glücklichsten Jahren meines Lebens.“ Sein Gesichtsausdruck wurde hart. „Ich glaubte damals, sie sei unsterblich.“
Spontan legte sie ihm die Hand auf den Arm. „Mir fehlt mein Vater auch immer noch sehr“, sagte sie leise. „Ich kann mir ein wenig vorstellen, was Margos Verlust für Sie bedeutet.“
Seine Muskeln spannten sich an. Dann entspannte er sich wieder und nahm Briannes Hand. „Ihr Mitgefühl an dem Abend hat mich gerettet“, sagte er leise. „Wenn Sie mich nicht in mein Hotel gebracht hätten, dann hätte ich wer weiß wo landen können.“
„Wahrscheinlich in den Armen der Platinblonden“, sagte sie trocken, „die Sie dann noch ausgenommen hätte.“
Er musste unwillkürlich lachen. „Wahrscheinlich haben Sie Recht. Ich war so betrunken, dass mir egal war, was mit mir geschah.“ Der Ausdruck seiner Augen wurde weich. „Ich bin froh, dass Sie da waren.“
„Ich auch.“ Sie schmiegte die kleine Hand fester in seine.
Seine Augen schienen dunkler zu werden, als er sie ruhig ansah und langsam ihre Handfläche mit dem Daumen zu streicheln begann. Brianne zuckte zusammen. Es war, als berührte er sie überall und nicht nur ihre Hand.
Pierce spürte die Reaktion und begann ihre Hand intensiver zu streicheln. Seit Margos Tod war er den Frauen aus dem Weg gegangen, und ganz sicher sollte er dieser kleinen Unschuld nicht den Kopf verdrehen. Aber wenn sie ihn so mit ihren großen grünen Augen ansah und bei dieser leichten Berührung schon zitterte, kam er sich unwiderstehlich vor. Jeder Mann würde in Versuchung kommen.
Brianne konnte vor Erregung kaum atmen. Ihr Herz klopfte wie wild. „Ich denke, es ist besser, wenn wir damit aufhören.“
„Warum denn?“ fragte er leise.
„Weil ich dieses merkwürdige
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