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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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tupfte ihn sacht mit meinem T-Shirt ab, dann streckte ich mich neben ihm aus und legte seinen Kopf auf meine Brust. Endlich konnte ich ihn wieder streicheln.
    Über unseren Köpfen wogten die reifen Ähren in der leichten Brise hin und her. Ihr sanfter Rhythmus, dazu die summende Stille um uns herum machten mich schläfrig. Eine ganze Weile lagen wir reglos beieinander. Schließlich hörte ich ihn murmeln: „Alles klar?“ Er klang verschlafen; wahrscheinlich war er in meinem Arm ebenfalls kurz eingenickt. Ich lächelte liebevoll: „Klar soweit. Bist du denn jetzt wieder beieinander?“
    Er atmete tief durch: „Ich denke schon. Danke, mein Süßer.“ Er hob den Kopf. Seine Augen blickten wieder klar und fest in meine, hell und durchsichtig wie Eisschollen auf dem Meer. Ich gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze, dann rappelte ich mich auf:
    „Dann lass uns aufbrechen, ich glaube, mich fressen hier gerade die Mücken auf.“ Schon seit geraumer Zeit verspürte ich ein penetrantes Jucken und Stechen auf der Haut. Wir trabten zum Auto zurück, sahen uns verstohlen um, ob eventuell jemand auf dem Feldweg vorbeikam, während wir mit völlig zerknitterten Klamotten und Stroh im Haar aus dem Feld herauskamen. Eindeutiger konnte die Situation ja wohl kaum sein! Aber es war niemand zu sehen. Also schwangen wir uns ins Auto, und Christoph lenkte zurück auf die Straße. Er fuhr jetzt so ruhig und ausgeglichen wie immer, so dass ich mich entspannt zurücklehnte und den Liebesrausch von eben noch einmal an mir vorüberziehen ließ.
    Schließlich meinte ich: „Für deine Rallye von vorhin habe ich aber etwas gut bei dir!“ Ich ließ offen, ob ich damit seine Raserei mit dem Wagen oder die in mir meinte.
    Er warf mir einen vieldeutigen Blick zu. Sogar durch die dunklen Gläser seiner Sonnenbrille hindurch fühlte ich jetzt wieder die Zärtlichkeit und verführerische Lust darin in mich dringen. „Ich werde dich so verwöhnen, dass du gar nicht zum Höhepunkt kommen willst.“ Er ließ seine Hand auf meinen Oberschenkel gleiten und drückte sacht zu. Sofort wallte wieder die Hitze in mir auf. Wie schaffte er das bloß immer wieder?! Doch dann legte er wieder beide Hände ans Steuer und seufzte tief: „Aber erst müssen wir das mit deinem Vater hinkriegen.“
    Ich nickte stumm, war froh, dass er mich damit nicht allein ließ. Trotz der stürmischen Liebe von eben schien meine Euphorie heute nicht auszureichen, um dem Ausgang des Disputs positiv entgegenzusehen.

 
     
    III
    Ursprünglich hatte ich vorgehabt, Christoph ganz Braunschweig zu zeigen, ihm die alten und neuen Sehenswürdigkeiten der Stadt zu präsentieren, ihn zu den Schauplätzen meiner Kindheit und bisherigen Jugendzeit zu führen, wie er es im letzten Jahr mit mir in München getan hatte. Aber dazu hatten wir heute keine Nerven; nicht einmal die architektonischen Reize des Doms und der Burg Heinrichs des Löwen sprachen ihn an. Also marschierten wir schnurstracks zu dem kleinen Eiscafé am Kohlmarkt.
    Das war mein und Felix’ Stammeiscafé. Hier hatten unsere Mütter uns als kleine Kinder immer abgesetzt, wenn sie Zeit und Muße zum Schoppen haben wollten und uns Quälgeister dabei nicht gebrauchen konnten. Auch jetzt traf ich mich mit Felix gelegentlich hier, und Renzo, die gute Seele von einem Inhaber, hatte uns manchen Eisbecher gratis spendiert, wenn unser Taschengeld mal wieder bereits in der Disco oder im Kino schlappgemacht hatte. Beim Eintreten winkte ich ihm hinter dem Tresen zu und führte Christoph zu meinem Stammplatz hinten in der Ecke, wo man alle Tische und den Eingang wunderbar überblicken konnte. Christoph sah sich neugierig um: „Nett hier.“ Meine Brust blähte sich ein bisschen vor Stolz.
    Renzo kam zu uns herüber, freundlich lächelnd wie immer. Seine dunkelbraunen Augen funkelten warm, und seine dunklen Locken tanzten lustig um sein Gesicht herum. Ganz Italiener, mit stets gebräunter Haut und feurigem Temperament, ließ er einen in seinem Café sogar Deutschlands winterliche Kälte vergessen.
    „Jann, schön, dass du mal wieder da bist!“ Er sprach mit Akzent, aber klar und sauber. „Und einen neuen Freund hast du mitgebracht? Buon giorno, signore!” Christoph reichte ihm lächelnd die Hand. Renzos Temperament ließ auch ihn sofort auftauen. Ich stellte die beiden einander vor, Christoph dabei zunächst als meinen Cousin.
    „Ah, aus München! Sehr schöne Stadt! Cousine von Schwester meiner Mutter arbeitet da. Geh doch mal in

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