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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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vollständig zu. Sie drang nicht mit Worten in mich, neugierig oder lästig, sondern war plötzlich einfach nur da, voll und ganz, die personifizierte Aufmerksamkeit. Ihr Blick spannte sich über mich wie ein großes, weißes Segel, das mich vom Rest der Welt abschirmte und unter dessen Schutz ich alles hätte loswerden können, was mich bedrückte.
    Es drängte mich geradezu zum Weitersprechen. Aber wie konnte ich das, ohne ihr zu sagen, dass Christoph und ich ein Paar waren? Sollte sie das jetzt schon wissen? Ich dachte an Katharinas entsetzten Blick gestern Abend, als sie mich in Christophs Armen gesehen hatte. Würde ich das jetzt in Sonjas Augen noch einmal sehen? Das würde ich wahrscheinlich nicht mehr verkraften, ohne auszurasten. Oder spielte das für Sonja gar keine Rolle?
    Ich schielte zu Christoph hinüber. Er schien zu ahnen, was ich dachte und fühlte, und mit einem Mal begann er, ganz offen die ganze Geschichte zu erzählen: dass mein Vater gegen meine Zukunftspläne agierte, dass er dagegen war, dass ich Literaturwissenschaften studieren und – noch schlimmer -  mein Leben mit einem Mann, nämlich ihm selbst, verbringen wollte, weil ich ihn liebte. Kurz und klar, präzise und schonungslos, wie mein Lover in solch heiklen Situationen immer war.
     Ich beobachtete derweilen Sonjas Mienenspiel. Sie hörte zu, zuckte nicht mit der Wimper, hakte nicht ein und wandte sich auch nicht ab. Gott sei Dank! Aus der Selbstverständ-lichkeit, mit der sie unsere Geschichte aufnahm und akzeptierte, zog ich unwillkürlich Kraft für uns. Es schien also doch nicht völlig unmöglich, was wir beide wollten! Für sie schien das alles mühelos fassbar und verständlich zu sein. So frei und offen, wie sie für die Welt und ihre Kuriositäten war, musste sie auch Felix geöffnet haben. Sie würde ihm gut tun!
    Als Christoph fertig erzählt hatte, saßen wir alle für eine Weile schweigend da und klapperten mit den Löffeln in unseren Eisbechern herum. Jeder war in seine Gedanken vertieft, ging darin seinen eigenen Weg, verbunden nur durch die allgemeine Ratlosigkeit. Über uns summte leise der Ventilator. Renzo kam vorbei, um die leeren Eisbecher abzuräumen, und Christoph gab für alle Kaffee aus.
    Endlich brummte Felix: „Schöne Scheiße, Alter.“ Und nach einer Weile: „Meinst du, du kannst noch mal mit ihm sprechen?“
    Ich zuckte die Schultern: „Ich weiß nicht, ob er überhaupt mit mir noch mal sprechen möchte. Du hast es ja gehört: Ende der Diskussion.“
    Renzo kam und stellte jedem einen verführerisch duftenden Cappuccino hin. Als er allerdings die Spannung spürte, die an unserem Tisch herrschte, verkniff er sich seine lustigen Bemerkungen und ließ uns rasch wieder alleine. Sonja schüttelte den Kopf:
    „Aber du darfst dich nicht so einfach abspeisen lassen. Ihr müsst reden. Er weiß zu wenig, um sich überhaupt ein Urteil erlauben zu können. Er kennt deine Gründe nicht, er hat keine Ahnung davon, wie gut du das alles schon vorbereitet hast, er weiß nicht genug über deine Beziehung zu Christoph.“ Sie riss ein Zuckertütchen auf, legte es dann jedoch wieder aus der Hand und schob ihre Kaffeetasse von sich. Dann beugte sie sich vor und nahm mich ins Visier ihrer hellbraunen Augen.
    „Ich denke, du hast ihn einfach überrumpelt! Er hat sich in seiner Ehre verletzt gefühlt, sein Zukunftstraum ist geplatzt wie eine Seifenblase, denn er sah sein Unternehmen, das er eigentlich für sich selbst aufgebaut hatte, und das du für ihn quasi als Erbe fortführen solltest, später einmal mit sich selbst untergehen. Ihm sind einfach die Fäden entglitten, seine eigenen und deine. Von jetzt auf gleich!“ Sie nahm das kleine Papierschirmchen aus Felix’ Cappuccino, zog den Stiel sanft durch ihre Lippen, um den letzten Kaffeerest abzuschlecken – und stieß es mit einer heftigen Bewegung direkt in den kleinen Blumentopf auf dem Tisch. Wir zuckten alle zusammen – bis auf Felix, dessen Blick immer noch an ihren Lippen hing. Wahrscheinlich sah der jetzt gerade etwas ganz anderes dazwischen verschwinden. Na, Kumpel, wart’s mal ab, du wirst dich noch wundern, was Sonja alles mit dir anstellen wird! Ich konzentrierte mich wieder auf ihre Worte:
    „Vielleicht hat er auch in dem Moment erkannt, wie viel er bei dir versäumt hat durch seine Arbeit, so dass er dich wirklich gar nicht mehr kennt. Bestimmt tat ihm das auch Leid, aber Schwäche konnte er dir nicht zeigen, dazu scheint er zu stolz zu sein. Oder

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