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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler
Autoren: Anett Leunig
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um. „Wie lange kennst du sie schon?“, versuchte ich, ihn abzulenken. Ihm musste klar sein, dass ich ihm die Story mit der Bekannten keine Sekunde lang abgenommen hatte.
    „Seit zwei Monaten.“ So lange schon? Das hatte ich gar nicht gewusst. Den Grund dafür präsentierte er mir prompt: „Ich war mir nicht sicher, ob ich dir davon erzählen sollte, du weißt schon, wegen ...“ Wusste ich zwar nicht so richtig, aber wenn er meinte ...
    „Sie scheint nett zu sein.“
    Diese Bemerkung löste bei Felix regelrecht Bestürzung aus: „Nett? Sie ist super! Total aufregend, witzig, spontan, gebildet ...“ Holla, das wurde ja eine richtige Lobhudelei! Mein Kumpel war wirklich völlig hinüber.
    „Sie ist älter als du. Wie alt?“
    „Sechsundzwanzig.“ Ich konnte ein erstauntes „Oh!“ nicht unterdrücken. „Aber wen interessiert das? Wir kommen gut miteinander klar. Und Christoph ist auch älter als du.“ Das stimmte. Ich bohrte weiter: „Wo hast du sie denn kennen gelernt?“
    „Na ja, wo man Mädchen halt so kennen lernt: in der Disco. Sie hat mich, ehm, na ja, wir haben zusammen getanzt.“
    Ich dachte an gestern Abend. Wieso hatte er dann bei Celine gebaggert? Oder hatte ich das nur falsch interpretiert? Und was hatte Sonja mit ihm wohl sonst noch so gemacht?
    „Was macht ihr denn so schönes? Ich meine, zusammen. Also, ... Unternehmungen.“ Schwierig, sachlich neutral zu bleiben, wenn ich eigentlich wissen wollte, ob sie schon miteinander ins Bett gegangen waren.
    Felix zuckte mit den Schultern. „Bisher waren wir mal im Kino, zur Disco, auf einer Ausstellung, mal shoppen ... Nächste Woche wollen wir in ein Kabarett gehen.“ Ich hatte gar nicht gewusst, dass Felix so kulturbegeistert war. Was die Liebe alles schaffte! Aber es klang interessant.
    „Sieht so aus, als könntest du eine Menge von ihr lernen.“ Ich sah ihn von unten her mehr als zweideutig an. Er grinste schüchtern. Felix und schüchtern, das waren eigentlich zwei Phänomene, die sich gegenseitig ausschlossen! Offensichtlich war bei den beiden wirklich noch nicht viel mehr passiert als Showprogramm. War das zwischen Männern und Frauen komplizierter? Bei Christoph und mir war es viel einfacher gewesen. Wir waren sofort da gewesen, wo wir beide hinwollten, nämlich zusammen, so und so. Ich fuhr fort: „Jedenfalls solltest du die Augen offen halten.“ Renzo kam mit den Eisbechern auf uns zu.
    Felix bemerkte ihn noch nicht und fragte mit einem anzüglichen Funkeln in den Augen: „Wenn sie die Bluse öffnet?“ Ach, traute er sich etwa doch wieder heraus aus seiner neuen Schüchternheit?!
    Ich sah ihn kokett an: „Und mehr ...!“
    „Jann, Alter! Du scheinst es ja mit deinem Christoph ganz schön wild zu treiben!“
    Seine plötzliche Offenheit überraschte mich. Hatte er dieses Thema bisher immer tunlichst vermieden, schien er sich nun meiner Homosexualität ganz offen stellen zu wollen. War das auch Sonjas Werk? Ich zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Du hättest uns mal vor einer Stunde sehen sollen! Na ja, besser doch nicht!
    Wir nahmen unsere Eisbecher und balancierten sie durch das Meer aus Stühlen und Tischen nach hinten. Sonja und Christoph schienen sich prächtig zu amüsieren. Sie lachten beide, und Christoph warf übermütig sein Haar zurück. Wieder ein Stich in meinem Herzen. War das Eifersucht?
    Sonja nahm Felix ihren Eisbecher ab. „Oh, das sieht lecker aus! Danke, mein Süßer.“ Und damit küsste sie ihn auf die Wange. Ganz offen, ganz keck, genau wie Christoph es bei mir getan hätte. Ich fand es originell, dass sie Felix auch ‚Süßer’ nannte. Jedenfalls hatte damit das Versteckspiel endgültig ein Ende.
    Eine Weile schlemmten wir ungeniert vor uns hin. Felix und Sonja turtelten miteinander, und Christoph heizte ihnen dabei kräftig ein. Sollte er mal machen. Ich war nicht seine Amme, und Felix würde schon die Reißleine ziehen, wenn es ihm zuviel wurde. Meine Gedanken schweiften ab, und ich merkte, dass ich schon wieder begann, an meinem ursprünglichen Problem zu arbeiten. Mittendrin hörte ich Sonjas Stimme:
    „Jann sieht irgendwie blass aus. Entschuldige bitte, dass ich dir das so offen sage. Ist dir nicht gut?“
    Christoph blickte erschrocken zu mir rüber, gleichzeitig auch ein bisschen schuldbewusst, weil er nicht auf mich geachtet hatte. Recht so! Ich schüttelte den Kopf: „Ich habe Stress zu Hause. Mit meinem Vater.“
    „Oh.“ Sie legte den Löffel beiseite und wandte mir ihr Gesicht
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