Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
Vom Netzwerk:
den Sinn gekommen; sie dachte sich, dass die Leute sich ihr schon mitteilen würden, wenn sie das Bedürfnis danach verspürten. Es war nur ein schmaler Grat zwischen aufrichtiger Sorge und Verletzung der Privatsphäre. Doch noch ein Gedanke gab Kate einen Stich. Möglicherweise spielte auch Bequemlichkeit eine Rolle. Kate hatte einer Freundin nicht so die Hand gereicht, wie sie es hätte tun sollen. Sie ging hinüber zum Spülbecken und half Max, das Geschirr wegzuräumen.
    »Also, diese Tagebücher von deiner Freundin«, setzte Max an. »Erzähl noch mal, weshalb du sie bekommen hast.«
    »Sie hat es in ihrem Testament festgehalten. Falls ihr etwas zustoßen sollte, wollte sie, dass ich entscheide, was mit ihnen geschehen soll.«
    »Sie hat also eine Treuhänderin eingesetzt. Interessant.« Er stellte einen Stapel Schüsseln oben in einen Schrank. »Und hast du die Truhe noch aufgebrochen?«
    »Ja.«
    »Und?«, fragte Max. »Hat die perfekte Mutter ihrem Mann Hörner aufgesetzt?« Sein Mund verzog sich auf unangenehme Weise.
    Kate runzelte die Stirn. »Rede nicht so abfällig über sie, Max. Es geht hier um ganz schön viel. Manches, was sie geschrieben hat, könnte die Familie ziemlich aufwühlen und ihr Bild von Elizabeth verändern.«
    Max schwieg, während er die Einzelteile des Profimixers zusammensetzte und die Schüssel zurückstellte. Einen Moment lang sprach keiner von ihnen.
    »Ich will ja nicht gefühllos klingen, aber so ist das Leben nun mal, Kate.«
    Max wischte den Mixer an den Seiten ab.
    »Wenn sie ihr Bild von ihr revidieren und neu definieren müssen, was ihre Familie ausmacht – dann ist das eben so.«
    Er ließ die Schüssel etwas zu heftig einrasten.
    »Da willst du doch nicht mitten hineingeraten, oder? Indem du auswählst, was sie erfahren und was nicht. Warum solltest du das tun?«
    Die Frage war berechtigt. An den Stellen, wo Elizabeths Geschichte sich mit Daves überschnitt, war es auch seine Geschichte. Wenn es ihn verletzte – dann war es eben so. Aber Kate dachte immer noch an die Kapitel am Ende von Elizabeths Geschichte.
    »Es nimmt einen so mit, Max, wenn man die Geschichte eines ganzen Lebens verfolgt. Elizabeth war zuerst die eine Person und wurde dann beinahe zu dieser Übermutter, weil sie das von sich erwartete. Und unabhängig davon, ob man das alles für gut befindet, habe ich auf jeden Fall das Gefühl, dass es ihr nicht gedankt wird. Sie wird für vieles verurteilt werden, und die großartige Mutter, die sie war, wird verlorengehen.«
    »Was ist daran so anders als bei anderen Leuten?«
    Max drehte sich zu ihr um und lehnte sich gegen die Spüle. »Du bist auch eine großartige Mutter, aber ich wette, das warst du nicht von Anfang an. Jeder verändert sich. Man wächst mit seinen Aufgaben. Glaubst du nicht, dass ihr Mann sie gut genug kennt, um das zu verstehen?«
    War es so? Sie hatte wirklich keine Ahnung. »Ich weiß es nicht. Ich hoffe.«
    »Vielleicht kannst du ihm ja auch dabei helfen.« Max nahm die letzte Rührschüssel vom Abtropfgestell und sah Kate durchdringend an.
    »Hmmm? Du bist doch ziemlich gut darin, Menschen so zu nehmen, wie sie sind, mit deiner ›Man kann nie wissen‹-Philosophie. Vielleicht hat deine Freundin deswegen dir die Bücher überlassen.«
    Max nahm einen Besen und fegte um die Kücheninsel herum einen kleinen Haufen Mehl und trockene Teigstückchen zusammen. Die Vorstellung, dass Elizabeth zu Wort kommen wollte, ergab Sinn. Sie hätte es nicht gewollt, dass man die Bücher vernichtete oder versteckte. Sie wollte sie verstanden wissen.
    Am einfachsten wäre es, Dave die Bücher zurückzugeben oder zumindest den Großteil. Nur ein paar ausgerissene Seiten, und die Elizabeth, die nach einem Ausweg suchte – Kleidung in einem Müllsack, in Gedanken bereits unterwegs –, hätte es nie gegeben. Noch ein paar Seiten herausgenommen, und wenn die restlichen Papierfetzen aus den Metallspiralen herausgezogen wären, würde es die Mutter mit unmütterlichen Gefühlen nicht geben. Aber ihre Bücher zu zensieren bedeutete, auch hier Elizabeth nicht als diejenige zu akzeptieren, die sie gewesen war, und in alte Stereotypen zurückzufallen, was mütterlich war und was nicht.
    Kate lehnte sich gegen die Kücheninsel. »Wie bist du nur so weise geworden, Max?«
    »Ich verbringe viel Zeit allein mit Brot.« Er fegte neben ihren Füßen und bemerkte ihre Bandage.
    »Was ist mit deinem Zeh passiert?«
    »Hab ihn mir an einem Stein gestoßen.«
    Max zog

Weitere Kostenlose Bücher