Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
bringen, heißt das ja noch lange nicht, dass sie besser sind als wir.« Das Wir beflügelte mich, ich spürte, dass mir die männliche Solidarität guttat. Nur Sören schien nicht recht davon überzeugt zu sein.
»Nicht automatisch, klar, aber die Atmosphäre ist eben doch irgendwie anders und, wie ich finde, auch besser.«
Wie alle jungen Ehemänner war auch Sören Linzbichler noch um eine abwägende Beurteilung des anderen Geschlechts bemüht. Dass die meisten dieser Urteile bald auf eine harte Probe gestellt würden, konnte er natürlich nicht ahnen.
»Was soll denn gut daran sein«, beharrte ich, »wenn Frauen um den heißen Brei herumreden, anstatt zu sagen, was Sache ist?«
Er blickte nervös zu Jutta. »Manchmal ist es aber auch ganz nützlich.«
»Was soll denn daran nützlich sein, wenn man alles erst interpretieren muss?«
»Vielleicht weil man den anderen versucht zu verstehen?«
»In der Politik ist es genauso schwammig. Im Grunde bleibt alles immer nur vage!«
»Das sind demokratische Prozesse. Für Außenstehende mag das hin und wieder so aussehen, als gebe es keine Entscheidungen.«
Mir war sofort klar, dass er mich damit meinte.
In diesem Moment kam der besonders griechisch aussehende griechische Kellner an den Tisch und wollte die Bestellungen aufnehmen. Ohne auch nur einmal in die Karte gesehen zu haben, fragte ihn Jutta sofort nach seiner Empfehlung. Der Kellner ratterte daraufhin alle auf der Tageskarte stehenden Gerichte runter.
»Siehst du«, sagte ich triumphierend zu meinem Geschlechtsgenossen Sören, »die Entscheidung wird ausgelagert und am Ende hat der Kellner Schuld, wenn es nicht schmeckt.«
Sören blickte verlegen lächelnd zum Tisch.
Nachdem sich Jutta schließlich aus den empfohlenen Tagesgerichten für die ganz persönliche Empfehlung des Kellners entschieden hatte und auch die beiden anderen dieser Kellnerempfehlung gefolgt waren, bestellte ich trotzig mehrere Nummern aus der normalen Karte.
»Sind Sie eigentlich schon lange hier in Deutschland?«, wandte ich mich noch schnell an den Kellner. Ich hatte den Eindruck, dass er beleidigt war, weil ich als Einziger seine Empfehlungen ignoriert hatte.
»Ich bin hier geboren«, sagte er knapp.
»Dann sind Sie also quasi Deutscher«, schlussfolgerte ich.
»Meine Eltern stammen aus Serbien.«
»Auch nicht übel«, erklärte ich und griff mir rasch das Weinglas.
Als der Kellner verschwunden war, drehte sich Jutta zu mir.
»Und was heißt hier überhaupt ›die Entscheidung auslagern‹? Man wird sich ja noch mal was empfehlen lassen dürfen.«
Ich warf mir schwungvoll die Serviette übers Knie. »Die empfehlen doch nur Sachen, die wegmüssen. Die Tageskarte ist meistens ein Fall für die Lebensmittelaufsicht. Ich möchte nicht wissen, wie lange euer Fisch schon im Kühlschrank gelegen hat.«
Meine Frau sah mich an, als würde sie mich kaum wiedererkennen. Tatsächlich trat ich überraschend selbstbewusst auf. Ob das an dem ungewohnt respektvollen Umgang seitens ihres Mitarbeiters lag, konnte ich allerdings nicht mit Sicherheit sagen.
»Also wir haben hier immer nur frische Sachen gegessen«, schaltete sich nun Frau Linzbichler in die Unterhaltung ein. Ihr Mann schien indes noch unentschlossen, auf welche Seite er sich schlagen sollte.
»Man weiß natürlich nie hundertprozentig, was auf den Teller kommt«, sagte er, sich nach allen Seiten absichernd, was seine Frau so aber nicht stehen lassen wollte.
»Hast du hier etwa schon mal schlecht gegessen?«
»Meiner Ansicht nach war das gar nicht die Frage«, wandte Sören ein, »Herr Wollmann meinte ja nur, dass auf der Tageskarte vielleicht nicht alles so frisch ist, wie es sein sollte.«
Seine vorsichtige Art ging mir langsam auf die Nerven. Warum sagte er nicht einfach, ob er gut oder schlecht gegessen hatte? Womöglich ging er nur seiner Frau zuliebe zum Griechen, während er eigentlich die spanische Küche bevorzugte. Ich fragte mich, ob es richtig war, schon gleich am Anfang einer Beziehung zu viel Verständnis füreinander aufzubringen. Denn welcher Mann konnte schon sicher sagen, was seine Frau wirklich über ihn dachte? Mir schien es viel ehrlicher, zunächst überhaupt kein Verständnis zu haben, um sich dann langsam anzunähern. Leider hatte ich den gleichen Fehler gemacht wie Sören Linzbichler. Ich musste ihn warnen, ehe er in der Falle saß.
»Der Grieche kennt im Grunde ja nur gegrillte Hackfleischbällchen und Schafskäse«, eröffnete ich fröhlich eine
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