Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
das alles soll?«
Mein Hemd, dachte ich sofort. Mein Hemd war bekannt wie ein bunter Hund.
»Sie wohnen zwei Häuser weiter, Wollmann, stimmt’s?«
»Okay«, brummte ich und zog mir die Maske vom Gesicht, »es war ja nur ein Spiel.«
»Ein Spiel?« Frau Eichhorn sah mich wütend an. »Wissen Sie, wie viel Sie dieses Spiel kosten wird?«
Ich zuckte die Schultern.
»Tausend Euro! Die Vase in der Tüte ist eine Antiquität, die werden Sie mir bezahlen.«
Ich dachte noch, dass man mit so einer Vase eben nicht durch die Gegend läuft, aber ehe ich noch etwas sagen konnte, hatte Frau Eichhorn schon ihre Tüte gegriffen und war zielstrebig davongegangen.
»Den Taler hast du dir jetzt aber verdient«, meinte Zoe, die grinsend aus dem Versteck trat.
Ich lächelte betroffen. »Das wird für die Vase wohl leider nicht reichen.«
»Blöde Vase«, versuchte sie mich zu trösten, »dafür würde ich keinen Taler bezahlen.«
»Leute-Erschrecken machen wir nie wieder«, sagte ich.
»Ich fand’s aber lustig«, sagte sie.
»Hmm«, machte ich.
Sie fasste mich an der Hand. »So einen wie dich hätte ich auch gerne als Vater.«
Ich sah sie überrascht an. »Aber du hast doch einen Vater.«
Sie dachte kurz nach. »Ja, aber der ist nie zu Hause und hat keine Zeit für mich.«
Ich überlegte, ob ich das als Kompliment auffassen sollte. Ich überlegte noch, nachdem wir uns verabschiedet hatten. Es war das erste Mal, dass mir jemand gesagt hatte, es sei schön, dass ich zu Hause war und Zeit für den anderen hatte.
15
Am Freitag fand ich einen Zettel von Jutta auf der Flurkommode. »Wenn du heute Abend zu einem Essen mitkommst, vergesse ich die Geschichte mit Helga!« Das Ausrufezeichen deutete eine gewisse Dringlichkeit ihrer Forderung an. Anscheinend legte sie Wert auf meine Begleitung. Gleichzeitig war ich mir nicht sicher, ob ihr Einlenken in letzter Sekunde nicht nur im drohenden Gesichtsverlust begründet lag, wenn sie anders als geplant allein zu der Verabredung erschien. Dennoch beschloss ich, ihren Vorschlag anzunehmen, und zog mir entgegen meiner Gewohnheit Jackett und eine ordentliche Hose an.
Wir nahmen ein Taxi. Zunächst hatte ich vorne einsteigen wollen, entschied mich dann aber doch, neben meiner Frau auf der Rückbank zu sitzen.
»Du hast dich ja richtig schick gemacht«, sagte Jutta plötzlich während der Fahrt, sodass ich regelrecht zusammenzuckte. Seit fast einer Woche war es das erste an mich gerichtete Wort.
Ihre positive Einschätzung nahm ich sofort zum Anlass, mich wieder als tatkräftigen Mann ins rechte Licht zu rücken. Ich ließ durchblicken, dass ich vor kurzem unserer beider Lieblingsfeindin, Frau Eichhorn, einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte, indem ich sie mit einer Frankensteinmaske überrascht hatte.
»Du hast was?«
Ihre Reaktion war leider nicht so positiv, wie ich gehofft hatte. Ja, sie wirkte sogar ein wenig entsetzt.
»Ich habe es ihr endlich mal gezeigt!«, rief ich fast schon euphorisch.
»Was hast du ihr gezeigt?«
»Einen Spiegel, also ich wollte ihr einfach mal einen Spiegel vorhalten«, erklärte ich.
»Einen Spiegel mit einer Frankensteinmaske?« Jutta war erschüttert.
»Dabei ist leider eine Vase kaputtgegangen. Wir werden wohl mit einer Klage rechnen müssen«, fuhr ich fort, ohne meine Grundüberzeugung durch einen kleinlauten Tonfall abzuschwächen.
»Das heißt?«, fragte meine Frau sachlich. Ich merkte, dass meine Grundüberzeugung von der Richtigkeit meiner Tat nicht länger bei ihr fruchtete.
»Tausend Euro«, sagte ich etwas leiser, »aber das glaube ich noch nicht.«
Daraufhin sagte Jutta gar nichts mehr und blickte aus dem Fenster. Ich ärgerte mich, dass ich ihr überhaupt davon erzählt hatte. Selbst kleine Erfolgserlebnisse meinerseits schienen keinerlei Wirkung mehr auf sie zu haben. Vielleicht hätte ich doch die Ringe fordern sollen.
»Und mit wem müssen wir uns jetzt unbedingt zum Essen treffen?«, fragte ich, um sie abzulenken.
»Sören hat vor kurzem bei uns angefangen, er kommt praktisch direkt von der Uni. Ein ziemlich begabter junger Mann.«
»Sören?«, sagte ich leicht verwundert. Mir kam auf einmal der Gedanke, dass meine Frau ausschließlich attraktive Männer um sich scharte, mit denen sie sich dann abwechselnd zum privaten »Meinungsaustausch« traf. Womöglich hatte sie im Ministerium längst den Ruf eines männerverschlingenden Vamps. Nur ich wusste als Einziger nichts davon.
»Ja, Sören Linzbichler, ich bin wirklich
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