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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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neue Runde.
    »Das kann man so aber auch nicht sagen«, meinte Jutta betroffen.
    »Man kann es auch anders sagen: Die griechische Küche überzeugt durch schlichte Zutaten. Es bleibt aber trotzdem bei Hackfleischbällchen und Schafskäse.«
    »Wenigstens klingt es ein bisschen netter.«
    »Es ist nicht unsere Aufgabe, die griechische Küche als nett zu beurteilen.«
    »Aber es spricht auch nichts dagegen.«
    »Wenn ich mit Helga Drux einen netten Nachmittag verlebe, hast du aber etwas dagegen.«
    »Das ist doch was völlig anderes!«
    »Es ist exakt dasselbe!«
    »Frau Drux ist doch eine Frau und kein Schafskäse.«
    »Du kannst Frau Drux einfach nicht leiden, gib es doch einmal zu.«
    »Ich hatte nur was gegen den Samstag.«
    »Du hast gegen alles etwas, sobald ich darin vorkomme.«
    »Ich verstehe dich einfach nicht.«
    »Das ist zumindest mal ein Anfang.«
    »Mir hat es hier jedenfalls immer geschmeckt«, unterbrach uns Frau Linzbichler und blickte irritiert zu ihrem Mann, der seit fünf Minuten ergebnislos versuchte, eine Olive mit einem Zahnstocher aufzuspießen.
    »Das deutsche Essen ist doch auch nicht so toll«, bemühte sich Jutta um Anschluss an die ursprüngliche Diskussion.
    »Demnach gibst du also zu«, sagte ich messerscharf argumentierend, »dass das griechische Essen nicht toll ist.«
    Meine Frau sah mich sprachlos an. Es war das erste Mal, dass sie mich auf diese Weise anblickte. Ich fühlte mich bereits als Sieger, als sie mit einem Nachsatz kam, den ich nicht erwartet hatte.
    »Wir sind doch in erster Linie wegen der Atmosphäre hier und um uns zu unterhalten, nicht wegen der Küche.«
    Meine Vorspeisen wurden serviert, eine Auswahl von warmen und kalten Gerichten, hauptsächlich verschiedene Dips, etwas Fisch und die obligatorischen Hackfleischbällchen. Ich begann zu essen, während die anderen auf ihre Hauptspeise warteten. Ich war froh, dass ich nicht auf den Kellner gehört hatte, und langte mit großem Appetit zu.
    Unterdessen waren die Gespräche etwas ins Stocken geraten. Da ich mich ausgeklinkt hatte, schien das für eine Unterhaltung notwendige Gleichgewicht empfindlich gestört. Ohne mich war ein nettes Beisammensein nicht mehr gewährleistet. Wenn ich mich nun weigerte und den restlichen Abend überhaupt nichts mehr sagte, würde es unter Umständen sogar zu einer vorzeitigen Auflösung der Runde kommen. Ich merkte, dass mein Wert in der Gruppe deutlich gestiegen war, und selbst Jutta müsste sich eingestehen, dass meine pure Existenz einen bedeutenden Machtfaktor darstellte. Allein dass ich dasaß und nichts anderes tat, als zu essen, löste in unserer kleinen Gesellschaft erhebliche Unsicherheiten aus. Allerdings gab mir zu denken, dass ich nur stumm einen gewissen Einfluss auszuüben schien.
    Während Sören immer noch mit der Olive kämpfte – offensichtlich hatte er eine adäquate Beschäftigung gefunden, die ihn von weiteren gesellschaftlichen Verpflichtungen befreite – , kauten Jutta und Frau Linzbichler freudlos auf ihrer Brotbeilage. Die Lage spitzte sich zu, als der Kellner nun auch mein Hauptgericht brachte, Lammfleisch in Joghurtsoße – ein klares Zeichen, dass in der Küche einiges schieflief.
    »Eigentlich könntest du uns ruhig mal was abgeben«, meinte Jutta schließlich im Hinblick auf meine zahlreichen Teller und Töpfe. Ich verschlang gerade eine riesige Auberginenscheibe.
    »Wenn es schon in der Küche nicht klappt«, sagte ich, ohne direkt auf sie einzugehen, »wie soll es da in der griechischen Wirtschaft insgesamt funktionieren.«
    »Zumindest könntest du mich probieren lassen.«
    »Es ist aber keine Empfehlung des Hauses!«, konterte ich und blickte vielsagend zu Sören, der mich allerdings nicht beachtete.
    Jutta verdrehte die Augen. Ich wusste schon, was nachher kam. Sie würde mir vorwerfen, dass ich mich unmöglich benommen hatte, und erklären, mich nie wieder mitzunehmen. Und ich würde antworten, dass ich mich keinesfalls danach gedrängt hatte, mitkommen zu dürfen. Eigentlich also wie immer, nur dass es mir jetzt egal war.
    Als die Bestellungen der anderen endlich eintrafen, hatte ich mein Hauptgericht fast aufgegessen.
    »Man darf sich einfach nicht alles gefallen lassen«, flüsterte ich Sören zu, nachdem das Gespräch der Frauen über dem Essen wieder in Fahrt gekommen war.
    Er lächelte verhalten. Ich spürte, dass er intensiv nachdachte. Meine Worte hatten etwas in ihm in Gang gesetzt. Überdachte er seine Rolle in der Ehe? Fragte er sich,

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