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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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noch extrem unsympathisch. Solange ich hier wohnte, hatte sie mich noch kein einziges Mal angesehen. Dabei hatte ich sie über viele Monate hinweg unverdrossen gegrüßt, ohne je eine Reaktion von ihr zu bekommen. Aber irgendwann musste ich einsehen, dass Frau Eichhorn offenbar nur Menschen wahrnahm, die in einer geschäftlichen Verbindung zu ihr standen. Der Zeitpunkt war gekommen, dieser Dame einen gehörigen Schrecken einzujagen.
    Von meinen regelmäßigen Spaziergängen wusste ich, dass sie montags meist erst gegen Mittag ihr Haus verließ und zuerst zum Briefkasten an der Hauptstraße ging. Solche Kleinigkeiten hatte ich mir seltsamerweise genau gemerkt. Vielleicht weil ich mir in meinen wüsten Fantasien, die mich mitunter unvorbereitet beim Gärtnern überfielen, vorgestellt hatte, Frau Eichhorn zu kidnappen, um ihr kriminelles Treiben ein für alle Mal zu unterbinden. Leider wusste ich nie, wohin ich sie bringen sollte. Alle Orte, die für ein solches Vorhaben geeignet erschienen, waren mir einfach zu schäbig. Denn selbst als Kidnapper wollte ich meinem Opfer ein angenehmes Ambiente schaffen, in dem auch ich mich gerne aufhalten würde.
    Auf dem Weg zum Briefkasten stand ein kleines Trafohäuschen, hinter dem wir uns verstecken konnten. Ich weihte Zoe in meinen Plan ein. Sie war sofort Feuer und Flamme und folgte mir aufgeregt hinter das Häuschen.
    Fast eine Stunde warteten wir in unserem Versteck. Die meiste Zeit war ich damit beschäftigt, Zoe bei Laune zu halten. Wie alle Kinder besaß sie den unstillbaren Drang, jede Minute etwas Neues erleben zu wollen. Ich dachte mir dauernd neue Aufgaben für sie aus, um sie nicht zu langweilen. Rätselfragen und Gedankenspiele. Ich war so beschäftigt, dass ich Frau Eichhorn beinahe verpasst hätte. Gegen zwölf erschien sie vor ihrem Haus und machte sich tatsächlich auf den Weg zum Briefkasten. Allerdings hatte sie keine Post dabei, sondern trug eine große, prall gefüllte Tüte, aus der ein sperriger Gegenstand ragte. Ich setzte mir rasch die Maske auf und wartete auf meinen Einsatz. Als sie das Trafohäuschen passierte, machte ich einen großen Schritt nach vorne und blieb direkt vor ihr stehen. Das Ergebnis musste als voller Erfolg gewertet werden. Frau Eichhorn zuckte zusammen und ließ die Tüte erschrocken fallen, worauf irgendetwas darin zerbrach. Einen Moment sahen wir uns stumm an. Ich spürte ihre Angst. Ich spürte, dass sie der Situation hilflos ausgeliefert war. Offensichtlich rechnete sie mit dem Schlimmsten, was mir ein wenig peinlich war, denn mehr als sie zu erschrecken hatte ich eigentlich nicht vorgehabt. Andererseits konnte ich mich jetzt auch nicht einfach wieder zurückziehen, als wäre nichts gewesen. Ja, auf einmal schien es mir notwendig, meinen Einsatz zu begründen, um ihren Respekt nicht zu verspielen. Nur ein nachhaltiges Erschrecken mit entsprechenden Forderungen würde mein Vorgehen erst erklärbar machen. Alles andere wäre ein dummer Kinderstreich gewesen.
    Bedauerlicherweise hatte ich nicht die geringste Ahnung, was man in solchen Fällen fordern konnte. Meine Erfahrungen auf diesem Gebiet waren leider äußerst beschränkt. Selbst in meinem Eheleben hatte ich nur sehr selten etwas gefordert. Das mochte ein Grund für Juttas Annahme sein, ich wäre in meinem Leben unterfordert, obwohl ich in der Unterforderung die einzige Möglichkeit sah, meine Kreativität zu entfalten.
    »Wollen Sie Geld?«, fragte Frau Eichhorn endlich mit weit aufgerissenen Augen. Ich war froh, dass irgendetwas geschah.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich kann Ihnen auch meinen Schmuck geben«, sagte sie und streckte mir ihre Hände entgegen, auf denen mehrere Ringe steckten.
    Sollte ich ihre Ringe fordern, um halbwegs seriös aus der Sache herauszukommen?
    Ich sah schon meinen Steckbrief mit einem Phantombild an den Bäumen hängen. »Wer kennt diesen Mann?« Seit meinem Auftreten im Supermarkt wäre es jedoch kein Problem, mich zu identifizieren.
    Ich schüttelte erneut den Kopf. Langsam wurde sie ungeduldig. Ich merkte, wie sie mich von Kopf bis Fuß musterte. Auf einmal hatte ich Sorge, dass sich die Geschichte an der Kasse wiederholte. Ich hatte einen Fehler gemacht und nur mein Gesicht maskiert.
    »Kenne ich Sie nicht von irgendwoher?«, fragte Frau Eichhorn plötzlich und machte ein nachdenkliches Gesicht. Ihre Angst wich zunehmendem Ärger. Jetzt war ich es, der erschrak.
    »Ja, genau, Sie laufen hier doch immer spazieren! Können Sie mir sagen, was

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