Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
gespannt, wie er sich so macht.«
»Ich auch«, sagte ich. Mit dieser Namenskombination hatte er in seiner vermutlich süddeutschen Heimat sicherlich eine schwere Kindheit durchlebt, die er nun durch harte Arbeit zu kompensieren versuchte. Ich musste also gewarnt sein.
Wir hielten vor einem griechischen Lokal mit dem originellen Namen »Akropolis«. Mir war nie klar gewesen, ob uns die Griechen eigentlich ernst nahmen. Deshalb und weil ich angenommen hatte, Jutta würde sich nichts aus dem fettigen griechischen Essen machen, waren wir in all den Jahren nie in einem griechischen Lokal gewesen.
Im Lokal herrschte der übliche Folklorekitsch. Fischernetze, Tonkrüge und an den Wänden Fotos mit Postkartenmotiven griechischer Inseln. Aus Lautsprechern drang griechische Volksmusik, die ich zuletzt als Kind mit meinen Eltern gehört hatte. Es war grauenhaft. Doch Jutta schien es überhaupt nicht zu stören. Ein besonders griechisch aussehender griechischer Kellner begleitete uns zum Tisch, an dem Sören Linzbichler und seine Partnerin bereits auf uns warteten. Offensichtlich waren sie schon länger da, denn auf dem Tisch stand eine halb geleerte Karaffe mit Weißwein. Etikette war anscheinend ein Fremdwort für sie.
Jutta stellte uns vor. Sören Linzbichler wirkte tatsächlich erstaunlich jung. Gescheiteltes, blondes Haar und ein weiches, leicht pausbäckiges Gesicht. Von schwerer Kindheit keine Spur. Beunruhigenderweise war er mir gleich sympathisch.
Seine Partnerin wurde als Frau Linzbichler vorgestellt, eine eher südländisch aussehende Frau mit einer schwarzen Mähne, die sie bei der Begrüßung keck in den Nacken warf. Ich hätte gerne ihren Vornamen erfahren, was mir jedoch etwas verfrüht erschien.
»Ich hoffe, du magst griechisch«, sagte Sören Linzbichler zu Jutta. Es störte mich, dass ich die Begleitumstände ihres Duzens nicht kannte. »Wir gehen hier öfter her wegen der lockeren Atmosphäre.«
»Ich liebe griechisch«, antwortete Jutta ohne Umschweife.
Ich blickte verwundert zu meiner Frau.
Sören und ich saßen uns gegenüber, als wäre es selbstverständlich, dass ich mich am liebsten mit einem Geschlechtsgenossen unterhielt. Ich hatte nicht mal die Chance gehabt, mich Frau Linzbichler gegenüberzusetzen.
»Und Sie sind also verheiratet«, eröffnete ich sogleich großspurig das Gespräch, als wäre ich überrascht, wie man sich schon in so jungen Jahren auf eine Frau festlegen konnte.
Sören nickte ernst. Anscheinend nahm er es mir nicht übel. »Seit fast einem Jahr.« Er griff zur Hand seiner Frau, als wollte er sicher sein, dass sie noch da war. Dabei waren Jutta und Frau Linzbichler kaum zu überhören. Während ich Mühe hatte, Gesprächsthemen zu finden, redeten sie schon wie alte Freundinnen. Langsam wurde ich nervös.
»Haben Sie sich in Ihrer Abteilung denn schon eingelebt?« Etwas Vernünftigeres wollte mir einfach nicht einfallen.
Sören Linzbichler behielt sein ernstes Gesicht weiterhin bei. Ich fragte mich, ob er tatsächlich annahm, dass ich mich dafür interessierte.
»Die Mitarbeiter sind alle sehr nett, und da ich so eine tolle Chefin habe, läuft es schon recht gut.«
Jutta sah augenzwinkernd zu ihrem neuen Mitarbeiter. Offenbar hatte sie das Kompliment trotz ihrer Unterhaltung mitbekommen, was mich veranlasste, vorsichtiger zu sein mit dem, was ich sagte.
»Man hört ja immer, dass Frauen die besseren Chefs sind«, sagte ich, als wäre mir die Arbeitswelt ansonsten völlig unbekannt. Ich neigte dazu, mich kleiner zu machen, als ich in Wirklichkeit war.
»Nicht generell«, gab Sören Linzbichler zu bedenken, »in diesem Fall aber schon.«
»Wir können uns auch gerne duzen«, bot ich ihm plötzlich an, obwohl es thematisch gerade gar nicht passte und ich eigentlich nur ungern Leute duzte, die ich kaum kannte. »Ich bin Bernd.«
»Sören«, sagte Sören Linzbichler überrascht.
Ich hob mein leeres Weinglas.
»Wie konnte ich nur so unaufmerksam sein.« Er schenkte mir und Jutta Wein ein. Es war ihm sichtlich peinlich, was mir gut gefiel. Ich fühlte seit langem mal wieder Respekt, wobei noch nicht klar war, ob er mich nur deshalb respektvoll behandelte, weil ich der Mann seiner Chefin war.
»Ich finde, Frauen werden generell überbewertet«, sagte ich und tat, als würde ich nicht bemerken, dass Jutta die ganze Zeit mit einem Ohr lauschte.
»Wie meinen … Wie meinst du das?« Er wirkte etwas verunsichert.
»Nur weil sie vielleicht einen anderen Stil in die Arbeit
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