Women of the Otherworld 04: Pakt der Hexen
getroffen hatte. Sie winkte mir zu, ich solle nach unten kommen und mich dort verst e cken, aber ich schüttelte den Kopf, rannte zur Tür, öffnete sie einen Spalt weit und spähte ins Freie. Ein junger Mann kam auf die Hütte zu. Er war mit einem Arm voll Gerätschaften beladen, die er nur mit Mühe tragen konnte, und konnte kaum sehen, wohin er trat. Ganz zu schweigen davon, dass er mich gesehen hätte. Als Ca s sandra mir über die Schulter sah, zeigte ich auf einen Trampelpfad, der hinter dem wuchernden Gestrüpp an der linken Seite der Hütte entlang führte.
Cassandra übernahm wie üblich sofort die Führung. Dieses Mal allerdings war das nur folgerichtig. Die Fähi g keit eines Vampirs, lautlos zu gehen, beruht zum Teil auf seiner paranormalen Natur und zum Teil auf seiner Jag d erfahrung. Indem ich ihr auf dem Fuß folgte, konnte ich mich fast so leise bewegen wie sie selbst.
Das Gelände hinter der Hütte war ein Flickenteppich aus Wald- und Wiesenstücken mit unterschiedlichstem Bewuchs.
»Sollen wir hier warten oder später zurückkommen?«, flü s terte ich in sicherer Entfernung zum Haus.
»Warten wir.«
»Dann rufe ich Lucas an. Er fragt sich wahrscheinlich schon, wo wir bleiben.«
Es stellte sich heraus, dass Lucas und Aaron unsere Hi l fe nicht brauchten. Das Haus hatte wider Erwarten keine neuen Informationen geliefert. Als er hörte, was wir g e funden hatten, versprach Lucas, sie würden sofort vorbe i kommen und uns helfen. Als ich die Austaste drüc k te, glitt Cassandra aus einer Baumgruppe hervor. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass sie sich entfernt hatte.
»Das wird nichts«, sagte sie. »Der bleibt noch eine We i le. Er ist Künstler.«
»Künstler?«
»Er hat sich vor der Hütte eingerichtet, mit einem hal b fert i gen Gemälde von ihr. Obwohl es mir ein Rätsel ist, warum irgendwer sich ein Bild von diesem Ding ins Wohnzimmer hängen sollte.«
»Na fabelhaft. Okay, wenn er also nicht von allein wi e der gehen will, sollten wir ihm vielleicht eine paranormale A n deutung liefern. Meinst du, ein Sturm mit Hagelschlag würde ausreichen, dass er’s für heute aufgibt?«
»Das übernehme ich. Warte hier.«
Cassandra verschwand. Ich hatte allerdings nicht vor zurückzubleiben. So gut Cassandra auch war, jeder kann Ve r stärkung brauchen. Also wartete ich, bis sie außer Sichtweite war, und ging dann in der entgegengesetzten Richtung um die Hütte herum.
Vermutlich würde sie ihn bannen. Auch eine der va m pirspezifischen Fähigkeiten, die Vampire zu so erfolgre i chen und geschickten Jägern machen. Im Kern handelt es sich einfach um außergewöhnliches Charisma. Sie erlaubt einem Vamp, sich das lebensklügste Mädchen in einer Bar auszus u chen, und ein paar Minuten später sagt sie: »Ja, ich glaube, ich komme mit in diese dunkle Unterführung.«
Bis ich um die Ecke der Hütte herumspähen konnte, würde Cassandra wahrscheinlich schon fast damit fertig sein, den Maler zum Gehen zu »überreden«. Sollte aber etwas schie f gehen, wäre ich zum Helfen in der Nähe. An der Ecke bereit e te ich einen Tarnzauber vor, der mich verbergen würde, solange ich mich nicht bewegte. Als ich die Formel zur Hälfte gesprochen hatte, beugte ich mich vor und sprach gleichzeitig den Rest, so dass ich sehen konnte, ohne bemerkt zu werden.
Cassandra war nicht da. Ich sah den Maler, einen Mann Ende zwanzig, dessen Haar sich bereits zu lichten begann. Er saß auf einem Klappstuhl, die gesamte Aufmerksamkeit auf die Leinwand gerichtet, die vor ihm auf einer tragbaren Staffelei stand. Ein Busch ein paar Meter hinter ihm schi m merte, als schüttelte ihn ein plötzlicher Windstoß. Cassandra? Was trieb sie dort hinten?
Ihre grüne Bluse blitzte zwischen zwei Büschen auf, keinen Meter mehr von dem Maler entfernt. Okay, dachte ich, hör auf zu spielen und komm raus, bevor der arme Kerl vor Schreck eine Herzattacke kriegt.
Als hätte sie mich gehört, schob Cassandra sich ins Freie. Sie stand jetzt zwischen dem Busch und dem Küns t ler; ihre Augen waren schmal und glänzten. Sie neigte den Kopf, den Blick auf den Hinterkopf des Malers gerichtet. Dann lächelte sie. Ihre Lippen öffneten sich, und ich sah die Zungenspitze über die Zähne gleiten.
Oh, Scheiße.
Ich zog mich schleunigst hinter die Ecke zurück, gerade als sie sich auf ihn stürzte. Ich hörte einen Atemzug, halb Seu f zer, halb Keuchen. Dann Schweigen. Ich verschränkte die Arme über der Brust und gab mir große Mühe, nicht
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