Wood, Barbara
zu finden,
an der Louisa, seine Frau, gestorben war.
Hannah
hielt mit dem Brotschneiden inne und lauschte dem Wind und dem Regen. Erklang
da in der Ferne das Geräusch von Pferdehufen? Hoffentlich niemand, der den
Vater zu einem Notfall rief. Als einziger Arzt in der Gegend würde er sich
natürlich ungeachtet des garstigen Wetters auf den Weg machen.
Bayfield, ein Dorf in der Grafschaft Kent, lag auf
halber Strecke zwischen London und Canterbury, an einem
munteren Fluss, einem Nebenarm des Len. Auch wenn die Mär ging, dass seit dem
Steinzeitalter Menschen hier lebten und möglicherweise auch Cae sars Legionen hier durchgezogen waren - eindeutig ließ
sich die Ansiedlung bis ins Jahr 1387 zurückverfolgen.
Damals hatte eine Gruppe von Pilgern auf dem Rückweg aus Canterbury »neben einem Heufeld« Rast gemacht und sich zum Bleiben entschlossen.
Hannah
hörte, wie sich die Pferdehufe näherten und den Hof erreichten. Als sie die
Haustür öffnete, schwang sich der einsame Reiter, in dem sie Luke Keen vom Falconbridge Manor erkannte,
gerade aus dem Sattel. »Mr. Keen! Kommen Sie
doch herein.«
Sie
schloss die Tür hinter ihm, derweil Keen seine
durchweichte Mütze abnahm und sie gegen sein Bein schlug. »Ist Ihr Vater zu
Hause, Miss Conroy? Er wird dringend benötigt.«
Aus dem
Sprechzimmer ließ sich John Conroy vernehmen. »Hannah, hab ich da was gehört
... Oh, schönen guten Abend, Luke Keen.«
»Tut mir
leid, Sie zu stören, Doktor, aber es handelt sich um einen Notfall auf dem
Gut.«
»Bin schon
unterwegs. Um wen geht's denn?«
»Um Ihre
Ladyschaft, Doktor.«
Conroy
fuhr herum. »Was sagen Sie da?«
»Sie ist
in anderen Umständen, und irgendwas stimmt nicht.«
Conroy
wechselte einen Blick mit seiner Tochter. Sie waren schon auf Falconbridge Manor gewesen, aber bislang nur, wenn jemand vom Personal ihrer Hilfe
bedurft hatte. Zur Herrschaft selbst waren sie noch nie gerufen worden. »Was
ist mit dem Hausarzt der Familie?«
»Seine
Lordschaft ist seit Stunden unterwegs, um Dr. Willoughby zu holen, aber er ist
noch immer nicht mit ihm zurück. Meine Frau sagt, es ist ernst. Sie befürchtet
das Schlimmste für ihre Herrin!«
Luke Keen half ihnen, ihr Pferd vor den Wagen zu spannen, dann machte er sich
auf den Heimweg, um Ihre Ladyschaft vorab zu informieren, dass Hilfe nahte.
Die
Conroys brachen auf in die Nacht. Der Regen trommelte auf das Lederdach des
kleinen Wagens. John griff in die Zügel, worauf die kastanienbraune Stute in
einen schnellen Trab fiel und Hannah ihre Haube festhalten musste. Sie forschte
im Gesicht des Vaters nach Anzeichen von Müdigkeit. Obwohl sie selbst keine
Ärztin war - und nie eine werden konnte -, hatten die Jahre, in denen sie ihm
assistiert hatte, ihren diagnostischen Blick geschärft, vor allem für die
ersten Anzeichen von Herzbeschwerden, an denen der Vater litt, seit er sich auf
seine Forschungsarbeit gestürzt hatte. Die Versuche mit Infektionen und
Heilmitteln, die er an sich selbst unternahm, hatten ihm inzwischen chronische
Herzbeschwerden eingetragen, gegen die er sich eine Medizin zusammengebraut
hatte - einen Extrakt aus Fingerhut, wegen der Ähnlichkeit mit einem
menschlichen Finger auch Digitalis genannt.
Aber heute
Abend verriet sein Gesicht keine Müdigkeit, er war keineswegs blass und
schwitzte auch nicht sonderlich, sah im Gegenteil gesund und munter aus. Wie
wohl Lord Falconbridge reagieren würde, wenn sie auf dem Landsitz auftauchten?
Bei den wenigen Anlässen, bei denen Hannah den Baron erlebt hatte, schien er
nicht gerade erfreut über ihre Anwesenheit gewesen zu sein. Wenn der Baron
durch Bayfield ritt, zogen die Dorfbewohner
respektvoll ihre Hüte, nicht aber Hannahs Vater. Wie
alle Quäker verweigerte er diese ehrfurchtsvolle Geste, waren seiner Meinung
nach vor Gottes Angesicht doch alle Menschen gleich. Sie erinnerte sich noch an
den Blick, den Seine Lordschaft dem dreisten Quäker zugeworfen hatte - ein
Blick, der sie auch jetzt bis auf die Knochen frösteln ließ.
»Wir sind
da«, sagte John Conroy, als die Lichter von Falconbridge Manor vor ihnen durch den nachlassenden Regen auftauchten. Schon liefen
Stallknechte herbei, um sich um ihr Gespann zu kümmern. Conroy und seine
Tochter wurden von einem verstörten Luke Keen in Empfang
genommen und zum Lieferanteneingang dirigiert, der in die Küche führte.
Anstatt zur Hintertreppe und somit zu den Unterkünften der Dienerschaft
gebracht zu werden, wo Conroy schon so manche Erkrankung kuriert
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