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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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hatte, ging es
diesmal durch einen Korridor in den großen Saal, das Herzstück von
Falconbridge. Zum ersten Mal betraten der Arzt und seine Tochter den
hochherrschaftlichen Wohnbereich, und Hannah bemühte sich, nicht mit großen
Augen die vielen Rüstungen anzustarren, die beeindruckenden Gemälde in verschnörkelten
Rahmen, das hinter Glas arrangierte feine Porzellan und die militärischen
Erinnerungsstücke.
    Nachdem
sie ihre feuchten Umhänge und Kopfbedeckungen einer Bediensteten übergeben
hatten, wurden die Conroys von der Haushälterin, einer leichenblassen, düster
dreinschauenden Frau in schwarzem Bombassin über die geschwungene breite Treppe
nach oben geführt.
    Sie trafen
Lady Margaret in einem großen, mit erlesenen Wandteppichen und eleganten Möbeln
ausgestatteten Schlafgemach an, in dessen Kamin ein Feuer brannte. Die Baronin
lag auf einem baldachinbekrönten Bett, über ihren gewölbten Leib war eine
seidig schimmernde Tagesdecke gebreitet.
    »Ich
benötige eine Schüssel Wasser«, sagte John Conroy zu Mrs.
Keen.
    »Sehr
wohl, Doktor«, erwiderte die Wirtschafterin hölzern und verschwand in ein
Nebenzimmer, in dem Hannah Kleider, Hüte und Schuhe erspähte.
    Conroy
wandte sich Lady Margaret zu und legte ihr die Hand auf die feuchtkalte Stirn.
»Margaret Falconbridge«, sagte er mit ruhiger Stimme, »ich bin John Conroy. Ich
bin Arzt. Können Sie sprechen?«
    Sie
nickte.
    »Haben Sie
Schmerzen?«
    »Nein ...
jetzt nicht mehr ...«
    Conroy
wechselte einen Blick mit seiner Tochter. Ein Stillstand der Wehentätigkeit
konnte ein schlechtes Zeichen sein. »Margaret«, sagte er ruhig, »ich werde Sie
jetzt untersuchen. Haben Sie keine Angst.«
    Er öffnete
seinen schwarzen Arztkoffer, in dem sich neben Spateln, Seidenfaden zum Nähen
von Wunden, Gaze und Bandagen auch arsenhaltige Pillen befanden, Kokain in
Pulverform und Ampullen mit Strychnin und Opium.
Er holte sein Stethoskop heraus, das neueste Modell, aus Gummischläuchen
gefertigt und mit einer Hörglocke sowie zwei Ohrstöpseln versehen. Mit diesem
Gerät konnte er den verdächtig schwachen Herzschlag der Baronin abhören.
    »Hannah,
wenn du so gut wärst.« Er zog die weiße Tagesdecke zurück und bedeutete seiner
Tochter, Lady Margarets blutbeflecktes Nachthemd hochzuschieben. Mit Rücksicht
auf die Schamhaftigkeit seiner Patientin war es John Conroy lieber, wenn seine
Tochter einen prüfenden Blick auf die Schwangere warf.
    Hannah kam
der Aufforderung nach. »Lady Margaret hat keine Wehen, Vater«, sagte sie dann
leise. »Aber sie blutet weiterhin. Ich vermute placenta praevia.« Was
bedeutete, dass sich die Plazenta von der Uteruswand gelöst hatte und den
Geburtskanal blockierte. Wenn man nicht bald etwas dagegen unternahm, würde
die Patientin verbluten und das Baby ebenfalls sterben.
    Mrs.
Keen kam mit einer Porzellanschüssel voll Wasser zurück, die
sie auf einem kleinen Schreibtisch absetzte und dann neugierig verfolgte, wie
Dr. Conroy eine Flasche aus seiner Tasche nahm. Als er eine dunkelrote
Flüssigkeit ins Wasser goss und sich daraufhin ein beißender Geruch
verbreitete, rümpfte sie die Nase. Und als Conroy seine Jacke ablegte, die
Ärmel seines Hemdes hochkrempelte und seine Hände in die stinkende Brühe
tauchte, zog sie die Brauen hoch. Was zum Kuckuck machte er da? Plötzlich bekam
sie es mit der Angst zu tun, und als ihr einfiel, dass Quäker nicht als normale
Christen galten, erschrak sie noch mehr. Konnte es sein, dass John Conroy etwas
völlig Abwegiges mit ihrer Herrin vorhatte?
    Sie wollte
Einspruch erheben, aber im selben Augenblick vernahm man von unten lautes
Lärmen - polternde Ausrufe und stampfende Füße. Die Tür zum Schlafzimmer wurde
aufgestoßen, und Lord Falconbridge stürzte herein. Ungeachtet seines durchnässten
Umhangs und Zylinders sank er aufs Bett und schloss seine Frau in die Arme.
»Maggie, mein Liebes. Ich bin zurück! Die Hauptstraße war ein einziger Morast.
Wir mussten einen Umweg machen. Maggie, wie fühlst du dich?«
    Um einiges
zurückhaltender betrat jetzt noch jemand das Schlafgemach: ein behäbiger Mann
mit weißem Backenbart. Er händigte Mrs. Keen seinen
Zylinder, seinen Umhang und seinen Stock aus, und trat, ohne die Conroys sonderlich
zu beachten, ans Krankenbett, baute sich seiner Lordschaft gegenüber auf und
griff mit Daumen und Zeigefinger Lady Margarets Handgelenk. Hannah und ihr
Vater erkannten in ihm Dr. Miles Willoughby,
den Arzt der Reichen und Privilegierten in

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