Word-OleSte-DerTou
Heimatschutz behaupten, es stimmt nicht. Ich hab Angela nicht umgebracht. Ich habe niemanden umgebracht. Aber mehr kann ich nicht sagen, weil ich selbst keinen Schimmer habe, was da läuft.«
»Verstehe.« Ihre Stimme klang flach. »Special Agent Janet Simmons war sich ziemlich sicher, dass ihr Verdacht begründet ist.«
»Das kann ich mir gut vorstellen. Aber was sie als Beweise bezeichnet ... Ich weiß ja nicht mal, was es ist. Hat sie es dir gesagt?«
»Nein.«
Er hatte sich neue Erkenntnisse von ihr erhofft. »Ich kann es mir nur so erklären, dass mich jemand reinreiten will.« »Aber warum? Warum in aller Welt ... «
»Ich weiß es nicht. Wenn ich wüsste, warum, wüsste ich auch, wer. Und wenn ich wüsste, wer, dann könnte ich mir auch das Warum zusammenreimen. Verstehst du? Und solange ich nichts rausfinde, halten mich die vom Heimatschutz für einen Mörder oder vielleicht sogar für einen Landesverräter.«
Wieder herrschte Stille.
Er unternahm noch einen Anlauf. »Ich hab keine Ahnung, was dir diese Frau erzählt hat, aber es gibt nichts, wofür ich mich schämen muss.«
»Und wie willst du das beweisen?«
Am liebsten hätte er gefragt, für wen sie die Beweise brauchte: für sich selbst oder für den Heimatschutz? »Fliegst du nach Austin?«
»Morgen wahrscheinlich. Aber wo bist du?« »Gut. Ich melde mich. Ich liebe ... « »Daddy?«
Er fuhr zusammen. Tina hatte das Telefon ohne Vorwar nung weitergereicht. »Hey, kleine Miss. Wie geht's dir?« »Ich bin müde. Deine Freunde haben mich aufgeweckt.« »Das tut mir leid. Diese Hohlköpfe.«
»Wann kommst du zurück?«
»Sobald ich meine Arbeit erledigt habe.«
»Na gut.« Sie klang so sehr nach ihrer Mutter, dass sich Milos Magen zusammenkrampfte. Als sie fertig waren, wusste Stephanie nicht, wo ihre Mutter war, und sie beendeten das Gespräch.
Milo ließ den Blick über die vielen Familien vor ihm gleiten, die der bevorstehenden Reise teils aufgeregt, teils gelangweilt entgegensahen. Erneut rebellierte sein Magen. Mit steifen Beinen erhob er sich und stolperte vorbei an den automatischen Transportbändern zur Toilette. Er schloss sich in eine Kabine ein und gab das ganze Bier wieder von sich.
Nachdem er sich den Mund abgewischt und mit Wasser gegurgelt hatte, trat er wieder hinaus auf den Gang. Das Erbrechen hatte eine mentale Blockade beseitigt, die ihn in seiner Entschlusskraft behindert hatte, ohne dass es ihm bewusst gewesen war. Wenn er erst in der Maschine saß, war die Telefonkarte des Holländers nicht mehr zu gebrauchen, weil sie durch den Anruf bei Tina »verbrannt« war. Daher benutzte er sie jetzt gleich noch einmal und wählte +33 112. Eine Telefonistin informierte ihn auf Französisch, dass er mit der Auskunft von France Telecom sprach. Er bat um die Nummer von Diane Morel in Paris. Es existierte nur ein Eintrag, und er ließ sich durchstellen. In Frankreich war es fünf Uhr früh, und die Frau, die sich meldete, war einigermaßen verschreckt. Ja, sie hieß Diane Morel, doch sie klang mindestens wie sechzig. Er schaltete ab.
Ein Fehlschlag, doch zumindest wusste er jetzt, dass er Diane Morel nicht einfach anläuten und ein gemütliches Gespräch über Angela Yates und Oberst Yi Lien mit ihr führen konnte. Wenn er bei der DGSE anrief und mit ihr verbunden wurde, musste er in aller Eile mit ihr reden, weil sein Standort in Minutenschnelle eruiert und an die Company übermittelt werden konnte. Aber für Madame Morel brauchte Milo Zeit. Er zerrte den Akku aus seinem Handy und warf die SIM-Karte in einen Papierkorb.
Acht Stunden später, am Freitag um ein Uhr Mittag, verglich ein behäbiger, angegrauter Deutscher hinter Plexiglas Milos Passbild mit dem gut gekleideten, aber ein wenig erschöpft wirkenden Geschäftsmann vor sich. »Mr Lionel Dolan?«
»Ja.« Milo setzte ein breites Lächeln auf. »Sind Sie beruflich hier?« »Glücklicherweise nein. Ich bin Tourist.«
Das Wort rief ungemütliche Erinnerungen in ihm wach. Milo dachte an die vielen anderen Flughäfen, Grenzwachen, Zollbeamten und Reisetaschen. An Zivilpolizisten und Agenten, die sich hinter Zeitungen versteckten, und an die Zeiten, als auch er stundenlang vergraben hinter einer New York Times auf Verbindungsleute wartete, die dann manchmal nicht erschienen. Der Frankfurter Flughafen, eine der großen, hässlichen Drehscheiben Europas, hatte ihn schon viele Male gesehen.
Der Grenzschützer hielt ihm den Pass hin. »Einen angenehmen Urlaub.«
Mit gleichmäßigen
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