World of Warcraft: Jaina Prachtmeer - Gezeiten des Krieges
länger nur zu verteidigen, sondern auch anzugreifen. Der blaue Drache flog in die Höhe, bis er direkt über einer kleinen Gruppe aus drei feindlichen Schiffen schwebte. Dann zog er die Flügel an den Leib und stürzte auf sie hinab, so schnell, dass die Kanoniere ihn erst sahen, als es schon zu spät war, ihr Feuer noch auf ihn zu richten. In der letzten Sekunde breitete Kalecgos die Flügel wieder aus und hieb mit seinem Schwanz nach unten. Der Mast des mittleren Schiffes brach wie ein morscher Zweig entzwei, und während sich Kalec wieder in die Höhe schraubte, sprach er einen Zauber, der Eissplitter auf die Feinde herabprasseln ließ, die groß genug waren, um gewaltige Löcher in die Decks zu schlagen. Nun donnerten schließlich die Kanonen, aber Kalec war bereits außer Reichweite.
Er flog zurück in die Richtung der Stadt, wohl wissend, dass die Schlacht auch dort in der Luft ausgetragen wurde. Als er eine Gruppe von Hordekämpfern sah, die einer Handvoll gepanzerter Greife zusetzte, schwenkte er herum und stürzte sich in den Kampf.
Die Horde hatte das Nordtor erreicht, und das furchterregende, gleichmäßige Hämmern eines Rammbocks mischte sich in die Geräuschkulisse der Schlacht. Wie sie die Ramme bis vor die Stadtmauern geschafft hatten, war Jaina ein Rätsel – vermutlich, überlegte sie, während sie zu dem Tor hastete, mussten mehrere Tauren das gewaltige Kriegswerkzeug auf ihre Schultern genommen haben und so durch den Sumpf gewatet sein, nachdem die Brücke zerstört worden war.
Eigentlich wollte sie die Stufen zum Wehrgang wieder hinaufeilen, um denen, die bereits oben standen, mit möglichst vielen magischen Angriffen zu helfen. Aber dann sah sie etwas, das sie zurückhielt: Die Torflügel erbebten unter den Stößen des Rammbocks.
Eigentlich hätten sie sich nicht rühren dürfen.
Vor allem nicht, da doch ein Mitglied der Kirin Tor sie mit einem steten Strom mächtiger Zaubersprüche verstärkte. Ein schrecklicher Gedanke schlich sich in ihren Kopf.
Bumm! Bumm! Bumm!
Die schweren Balken wölbten sich unter dem Aufprall, und die Angeln und Metallstreifen …
Sie rollten sich zusammen …
Jaina wirbelte herum und schickte einen gewaltigen Stoß arkaner Energie direkt auf Thalen Sangweber.
In seinem Hochmut hatte er mit einem solchen Angriff nicht gerechnet und stolperte nun nach hinten. Doch einen Moment später hatte sich der Blutelf bereits wieder erholt und starrte Jaina an. Kurz hatte es den Anschein, als wollte er seine Unschuld bezeugen, aber dann zogen sich seine weißen Augenbrauen zusammen, und er hob mit einem Schnauben die Hände zum Himmel.
Nur, um plötzlich leblos in sich zusammenzubrechen. Die Leidende stand hinter ihm, in der Hand das Schwert, dessen Griff den Feind auf eine so wenig elegante, aber effektive Weise außer Gefecht gesetzt hatte.
„Ich bin überrascht, dass du ihn nicht getötet hast“, sagte Jaina, als die beiden Frauen zu Sangweber hinüberrannten, um ihn an Händen und Füßen zu fesseln.
„Einen Verräter in der Hand zu haben, kann sich als nützlich erweisen“, bemerkte die Leidende. „Mit ein wenig Glück … werden wir ihn überreden können, alles auszuspucken, was er weiß.“
„Wir sind nicht der Scharlachrote Ansturm, Leidende“, mahnte Jaina, bevor sie Augen und Aufmerksamkeit wieder auf das Tor richtete. Aber zwei andere Magier, ein Mensch und ein Gnom, waren bereits vorgetreten, um es zu beschützen.
„Ich hoffe doch, es ist nicht geplant, ihn auf eine Tasse Tee einzuladen“, brummte die Leidende.
„Nein. Ich werde ihn Hauptmann Ebenstab übergeben. Er und die anderen können ihn verhören, wenn sie gerade etwas Zeit haben.“ Sie nickte ein paar Soldaten zu, die den bewusstlosen Blutelfen daraufhin fortschleiften. Es dauerte aber noch ein paar Sekunden, bis Jaina erkannte, dass Rhonin neben sie getreten war.
„Ich kann es nicht glauben“, murmelte er. „Ich habe mich persönlich dafür eingesetzt, dass er mit uns kommt.“
„Ich bin sicher, Ihr seid nicht der Einzige, den er getäuscht hat“, meinte Jaina.
„Allerdings“, sagte Rhonin verbittert. „Das ist ein herber Rückschlag für Aethas und sein Streben.“
„Glaubt Ihr, Thalen hat eigenmächtig gehandelt?“
„Ja“, nickte Rhonin. „Denn würde ich es nicht glauben …“
Das Tor zersplitterte und fing Feuer, und dann stürmte die Horde hindurch.
Kinndy zitterte vor Anstrengung, und das, obwohl sie von einem Kirin-Tor-Magier unterstützt wurde!
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