World of Warcraft: Jaina Prachtmeer - Gezeiten des Krieges
„Und wo müsst Ihr sein?“
Sie schien im Griff seiner riesigen Vorderpranke vollkommen entspannt, während sie, die Hände auf einer seiner gewaltigen Klauen ruhend, nach unten spähte. Die Windstöße seiner Flügel wirbelten ihr das Haar ins Gesicht.
„Das Nordtor!“, rief sie. „Die meisten von ihnen sind noch immer vor der Stadt – wir müssen verhindern, dass noch mehr hereingelangen! Kalec – könnt Ihr ein paar Bäume und Felsblöcke herbeischaffen, um den Eingang zu versperren, und dann dafür sorgen, dass die Horde vor den Toren bleibt? Könntet Ihr sie vielleicht sogar zurückdrängen?“
„Ich werde einen Weg finden“, versprach er. „Und Ihr?“
„Setzt mich oben auf dem Dach der Zitadelle ab“, wies sie ihn an. „Von dort kann ich fast alles überblicken und die Horde angreifen, ohne mich selbst zum Ziel zu machen.“
„Aber was ist mit den Feinden, die aus der Luft kommen?“, warnte Kalec.
„Ich weiß, es ist ein Risiko, aber daran können wir jetzt nichts ändern. Beeilt Euch, bitte!“
Sogleich nahm der Drache Kurs auf die Zitadelle, und dort angekommen setzte er Jaina mit größter Behutsamkeit auf dem Dach ab. Sie dankte es ihm mit einem herzlichen Lächeln, als Kalec sich dann aber wieder in die Höhe emporschwingen wollte, streckte sie die Hand aus, um ihn zurückzuhalten.
„Kalec, wartet! Ihr müsst wissen – Garrosh ist bei den Truppen am Nordtor! Falls wir ihn gefangen nehmen könnten …“
„Könnten wir diesen Krieg hier und heute beenden“, ergänzte er den Satz. „Ich verstehe.“
„Versperrt den Zugang durch das Tor – dann versucht, Garrosh zu finden!“
Er nickte, flog steil nach oben und wendete dann, um seinen frostigen Atem noch einmal über die Krieger der Horde am Nordtor zu ergießen, bevor er in Richtung Sumpf davonflog.
Von ihrem neuen Standort aus konnte Jaina die ganze Stadt sehen. Sie richtete ihren Blick auf den Hafen. Es schien, als stünden sich die Fraktionen dort ebenbürtig gegenüber; sie erspähte sowohl Schiffe der Horde als auch der Allianz, die in hellen Flammen standen, außerdem flatterten über mehreren halb versunkenen Wracks klagend die Fahnen beider Seiten. Das Westtor schien zu halten, und bei diesem Gedanken durchströmte Jaina ein tiefer Stolz auf Kinndy. Zudem drängten sich mehrere Jäger, Magier, Hexenmeister und andere, die sich auf den Fernkampf verstanden, auf den Wehrgängen in der Nähe dieses Eingangs.
Nun richtete sie ihren Blick nach Norden, und dabei empfand sie sowohl Bedauern als auch Entschlossenheit. Verteidiger und Angreifer kämpften dort auf engstem Raum, sie würde also ganz genau zielen müssen, um die Feinde zu verwunden oder zu töten, ohne dabei auch Mitglieder der Allianz in Mitleidenschaft zu ziehen.
Als sie Baine entdeckte, spürte sie einen schmerzhaften Stich. Der Taurenhäuptling war gerade in einen Kampf mit der Leidenden verstrickt, aber Jaina erkannte, dass sie es nicht über sich brachte, ihn anzugreifen, zumindest nicht, solange es andere Feinde gab, um die sie sich kümmern konnte. Und, beim Licht, es herrschte wahrlich kein Mangel an Zielen – Untote, die mit ihren halb verrotteten Armen Schwerter schwangen; hünenhafte Orcs; flinke Goblins; wunderschöne Sin’dorei, die sich mit der Grazie von Tänzern bewegten.
Sie konzentrierte sich auf einen Orcschamanen, dessen dunkle Kleidung aber mehr an einen Hexenmeister erinnerte; es bestand jedenfalls keinerlei Ähnlichkeit mit den angenehmen, natürlichen Farben, die Go’el getragen hatte. Jaina murmelte einen Zauberspruch, und Dornen aus Eis prasselten auf den Schamanen hernieder. Sie durchbohrten seine schwarzen Roben wie Dolche, und noch während er fiel, suchte Jaina – traurig, aber ohne innezuhalten – nach einem neuen Ziel.
Als er das Donnern hörte, mit dem der erste Felsbrocken vor dem zerstörten Tor landete, erkannte Vol’jin alarmiert, dass Garroshs Plan womöglich einen Fehler hatte. Einen großen Fehler.
Mit vielen anderen seiner Krieger stand er im Hof jenseits des Tores und nutzte seine Verbindung zu den Loa, um seinen Brüdern und Schwestern zu helfen. So wand sich beispielsweise gerade eine zischende Schlangenwache vor einigen Mitgliedern der Horde und schirmte sie vor der Allianz ab. Doch als der Felsen dann aufprallte, wirbelte der Troll kurzzeitig abgelenkt herum.
Vol’jin fluchte in seiner Muttersprache und blickte sich um. Baine kämpfte an Garroshs Seite. Die blauhaarige Nachtelfin, die ihm
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