World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
Fernmeldebehörde teilt die Einschätzung der vietnamesischen Firma Bach Khoa Internetwork Security (BKIS), diese acht Kommandoserver seien von einem Server im englischen Brighton aus gesteuert worden. Dort verliert sich die Spur. Der südkoreanische Nachrichtendienst NIS hat den Verdacht geäußert, dass ein Forschungsinstitut des nordkoreanischen Militärs, das eingerichtet wurde, um die südkoreanische Kommunikationsinfrastruktur zu zerstören, an der elektronischen Attacke beteiligt war. In einer Erklärung des NIS nach dem Angriff hieß es, es gebe Hinweise auf eine Urheberschaft Nordkoreas.
Ermittlungen des NIS zufolge erhielt eine nordkoreanische Hackereinheit, die als Lab 110 oder Technologisches Aufklärungsteam bezeichnet wird, am 7. Juni den Befehl, eine elektronische Attacke zu planen. Der Auftrag lautete, »die Kommunikationsnetze der südkoreanischen Marionettenregierung mit einem Schlag zu zerstören«, nachdem sich die Südkoreaner entschlossen hatten, an der Operation »Cyber Storm« teilzunehmen. Der Norden bezeichnete die Übung als »unannehmbare Provokation, da sie die Absicht [Südkoreas] verrät, in der Demokratischen Volksrepublik Korea einzumarschieren«.
Südkorea bereitet sich mittlerweile auf einen offenen Netzkrieg mit dem Norden vor. Kurz vor Beginn der Attacken hatte Südkorea seine Absicht bekundet, bis zum Jahr 2012 ein eigenes Kommando für die virtuelle Kriegführung einzurichten. Nach denAngriffen auf seine Netze wurde der Termin für die Bereitstellung dieses Kommandos auf den Januar 2010 vorverlegt. Aber was wird es tun, wenn Nordkorea das nächste Mal im virtuellen Raum angreift?
Wenn das Manöver tatsächlich in Pjöngjang geplant wurde, sind die möglichen Reaktionen auf weitere Aktivitäten dieser Art relativ beschränkt. Die Sanktionen können unmöglich verschärft werden. Die zeitweilig ausgesetzte Nahrungsmittelhilfe kann nicht weiter eingeschränkt werden. Militärische Vergeltungsmaßnahmen kommen nicht in Frage. Die 23 Millionen Einwohner des Großraums Seoul leben in der Reichweite der nordkoreanischen Artillerie entlang der entmilitarisierten Zone in einer »Kill Box«, wie es bei den Militärplanern unumwunden heißt.
Auch ist es kaum möglich, einen Angriff mit gleicher Münze zurückzuzahlen, denn in Nordkorea gibt es kaum etwas, das amerikanische oder südkoreanische Netzkrieger ins Visier nehmen könnten. Im Jahr 2002 sprachen sich Donald Rumsfeld und andere Mitglieder der Regierung Bush für eine Invasion des Irak aus, weil Afghanistan kein »an Zielen reiches« Land war: Es besaß nicht genug Waffen, Stützpunkte oder größere Infrastrukturen, die zerstört werden konnten. Nordkorea ist das virtuelle Gegenstück zu Afghanistan.
Nightearth.com stellt in der Nacht aufgenommene Satellitenbilder der Erde zusammen. Auf der so entstandenen Karte ist ein hell erleuchteter Planet zu sehen. Südkorea wirkt wie eine strahlende Insel, durch ein Meer von China und Japan getrennt. Doch was auf diesen Bildern wie ein Meer wirkt, ist die Koreanische Halbinsel nördlich von Seoul. Nordkorea liegt nachts fast vollkommen im Dunkeln, denn es verfügt nur über ein rudimentäres Stromnetz. Nicht einmal 20000 der 23 Millionen Einwohner Nordkoreas besitzen ein Mobiltelefon. Radio- und Fernsehgeräte sind fest verdrahtet, damit sie nur die Staatssender empfangen können. Und was das Internet anbelangt, so gilt weiterhin das Urteil der New York Times aus dem Jahr 2006: Die Zeitung bezeichneteNordkorea als »schwarzes Loch« im globalen Informationsnetz. Der Economist hat festgestellt, das Land sei »von der virtuellen Welt fast ebenso abgeschnitten wie von der realen«. Nordkorea betreibt etwa 30 Websites für die Kommunikation mit der Außenwelt, wobei diese Sites in erster Linie dazu dienen, gegen den südlichen Nachbarn gerichtete Propaganda zu verbreiten. Eine Handvoll westlicher Hotels hat Zugang zu Satellitenverbindungen, und das Land betreibt ein begrenztes internes Netz für einige wenige glückliche Bürger, die Zugang zur Website des »geliebten Führers« haben, sich sonst aber fast nichts ansehen können.
Wenig hat Nordkorea in die Entwicklung der eigenen Internet-Infrastruktur investiert, viel hingegen in Versuche, die Infrastruktur in anderen Ländern lahmzulegen. Das Kommando der Netzkriegseinheit 110 der Aufklärungsabteilung der Volksarmee, das im Verdacht steht, die Attacke im Juli 2009 durchgeführt zu haben, ist nur eine von vier Cyberkrieg-Einheiten.
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