World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
vernetzten Systeme und Infrastrukturen anderer Länder ein, legen Fallen und deponieren logische Bomben – und zwar heute, in Friedenszeiten. Die Tatsache, dass der Cyberkrieg ständig stattfindet, dass die Grenze zwischen Krieg und Frieden verschwimmt, beschwört eine gefährliche Instabilität herauf.
Wie ich in späteren Kapiteln darlegen werde, gibt es Grund zu der Annahme, dass die meisten »kinetischen« Kriege der Zukunft von Kampfhandlungen im Netz begleitet sein werden, während andere Netzkriege »gesondert« geführt werden dürften, das heißt ohne Artillerie, Infanterie, Luftwaffe und Marine. Bisher hat es jedoch noch keinen regelrechten Netzkrieg gegeben, in dem die indieser Art der Kriegführung am weitesten fortgeschrittenen Nationen ihre neuesten Waffen gegeneinander eingesetzt hätten. Daher wissen wir weder, wer die Oberhand behalten wird, noch, mit welchen Ergebnissen wir in einem virtuellen Krieg rechnen müssen. In diesem Buch werden wir darlegen, warum es aufgrund der Unvorhersehbarkeit eines echten Netzkriegs sehr gut möglich ist, dass eine solche Auseinandersetzung das globale militärische Kräfteverhältnis auf den Kopf stellen und in der Folge auch die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten völlig verändern wird. Und wir werden Vorschläge dazu vorlegen, wie diese Unvorhersehbarkeit verringert werden könnte.
KAPITEL ZWEI
Die Cyberkrieger
In einem Werbespot der amerikanischen Luftwaffe geht ein junger Mann mit Bürstenhaarschnitt, der einen Jumpsuit trägt, in einer abgedunkelten Kommandozentrale umher und spricht mit seinen Untergebenen, deren Gesichter von ihren Computerbildschirmen in ein grünliches Licht getaucht werden. Man hört seine Stimme: »Kontrolle der Stromversorgungssysteme … der Wasserversorgungssysteme … das ist das neue Schlachtfeld … in Zukunft wird dies der wichtigste Kriegsschauplatz sein … hier werden die großen Schlachten ausgefochten.« Dann blickt er direkt in die Kamera und sagt: »Ich bin Hauptmann Scott Hinck, und ich bin ein Cyberkrieger der Air Force.« Der Bildschirm wird schwarz, und dann erscheinen folgende Worte: »Air, Space, Cyberspace«. Zum Abschluss des Spots sehen wir das geflügelte Emblem und den Namen des Auftraggebers: »United States Air Force«.
Nun wissen wir also, wie ein Netzkrieger aussieht. Zumindest in Scott Hincks Fall hat er ein wenig Ähnlichkeit mit den intelligenten, durchtrainierten, ernsten Offizieren der stärksten Armee der Welt. Das entspricht nicht unbedingt unserer Vorstellung von Hackern, die wir aus Kinofilmen als scheue junge Männer mit dicken Brillen kennen. Doch um mehr Kandidaten mit den Fähigkeiten anzulocken, die im Cyberkrieg benötigt werden, ist die amerikanische Luftwaffe offenbar bereit, die Regeln nicht gar zu streng auszulegen. »Wenn sie unfähig sind, drei Meilen mit einem Rucksack auf den Schultern zu laufen, aber wissen, wie man ein ÜSE-System lahmlegt«, erklärt Generalmajor William Lord von der Air Force, »dann müssen wir eine Kultur schaffen, in die sie hineinpassen.« (Ein ÜSE-System steuert Netze wie jene für dieStromversorgung.) Diese fortschrittliche Einstellung entspringt dem Wunsch der Luftwaffe, in den amerikanischen Streitkräften die führende Rolle in der virtuellen Kriegführung zu übernehmen. Die Air Force war die erste Teilstreitkraft, die eine Organisation für die Kriegführung auf dem neuen Schlachtfeld ins Leben rief, nämlich das U. S. Air Force Cyber Command.
Der Kampf um einen Vorsprung in der elektronischen Kriegführung
Im Oktober 2009, als das Cyber Command den Betrieb aufnahm, war die Marine bereits dem Beispiel der Luftwaffe gefolgt und hatte ebenfalls eine eigene Netzkriegseinheit gegründet. Bald darauf tat es das Heer den beiden anderen Teilstreitkräften der USA gleich. All die neuen Organisationen und die vollmundigen Ankündigungen vermittelten manchen Beobachtern den Eindruck, dass die amerikanischen Militärs gerade erst Interesse an der elektronischen Kriegführung gefunden hätten und eher spät auf den Zug aufgesprungen seien. Aber dieser Eindruck täuschte. Das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten war der Erfinder des Internets und hatte bereits in dessen Frühzeit begriffen, dass es im Krieg genutzt werden konnte. Eines der Argumente für die Finanzierung des Internets lautete, dass es dem Pentagon nach einem Atomangriff auf die Vereinigten Staaten zahlreiche Kommunikationskanäle öffnen
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