World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
Hayden ein aktiver Vier-Sterne-General der Air Force.
Da McConnell und Hayden beide Erfahrung an der Spitze der NSA gesammelt hatten, waren sie sich zumindest in einem Punkt einig: Ein neues Cyber Command durfte keineswegs die Kapazitäten, die in Jahrzehnten in der NSA aufgebaut worden waren, ein zweites Mal erwerben. Wenn tatsächlich ein Kommando für den Netzkrieg eingerichtet werden musste, glaubten McConnell, Hayden und viele andere ehemalige NSA-Mitglieder, sollte doch einfach die NSA in das neue Cyber Command umgewandelt werden. Ihre Meinung hatte Gewicht im Pentagon, da sie hochrangige Militärs waren oder gewesen waren und sich tatsächlich im virtuellen Raum auskannten. Um die »Übernahme« des Cyber Command durch die NSA zu verhindern, wiesen Vertreter der Streitkräfte darauf hin, dass die NSA eigentlich eine zivile Einrichtung sei, ein Nachrichtendienst, weshalb sie rechtlich keine Befugnis habe, Kriege zu führen. Sie verwiesen auf die Gesetze, die den verschiedenen Regierungsbehörden Vollmachten einräumen und Beschränkungen auferlegen. Solche Gesetze können selbstverständlich geändert werden, wenn sie ihren Nutzen verloren haben. Dennoch rückte die Frage, wer die amerikanischen Netzkriege ausfechten sollte, rasch in den Mittelpunkt einer Auseinandersetzung zwischen dem Militär und den Rechtsexperten der Regierung.
Bei jeder anderen Zusammensetzung der politischen Führung wäre die Angelegenheit wahrscheinlich zugunsten des Militärs entschieden worden. Man hätte eine vollkommen neue Organisation gegründet und die bei der NSA bereits vorhandene Hackingkompetenz in der neuen Organisation ein zweites Mal aufgebaut. Doch im Jahr 2006 war Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der sein Revier eifersüchtig verteidigt hatte, ersetzt worden, nachdem die Republikaner bei den Halbzeitwahlen zum Kongress nicht zuletzt aufgrund der Fehler im Irakkrieg schwere Verluste erlitten hatten. Rumsfelds Nachfolger war Robert Gates, der Präsident der Texas A&M University. Ich kannte Gates seit mehr als 30 Jahren und erwartete, dass er ein ungewöhnlich guter Verteidigungsminister werden würde. Er war kein Mann des Pentagons, er hatte keine Karriere im Verteidigungsministerium hinter sich. Aber er war auch keiner jener Neulinge in Fragen der nationalen Sicherheit, die aus der Wirtschaft oder aus der Forschung kamen und sich von den erfahrenen Taktikern im Pentagon leicht manipulieren ließen. Gates hatte Karriere bei der CIA gemacht und es bis zum Leiter des Auslandsgeheimdienstes gebracht, und zwischenzeitlich war er Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats gewesen. Er sah die Auseinandersetzung über das Cyber Command mit den Augen eines Nachrichtendienstlers und, was noch wichtiger war, aus dem einzigartigen Blickwinkel, den man im Weißen Haus hat. Wenn man direkt für den Präsidenten arbeitet, begreift man, dass es ein nationales Interesse gibt, das über den Hoheitsansprüchen der eigenen »Heimatbürokratie« steht. Gates sah die größeren Zusammenhänge, und er war ein Pragmatiker.
Schließlich wurde eine Kompromisslösung gefunden: Der Leiter der NSA wurde zu einem Vier-Sterne-General (Beförderung vom Drei-Sterne-General) und auch zum Leiter des U. S. Cyber Command ernannt. Im Pentagon ist von »zwei Hüten« die Rede, wenn jemand zwei Posten innehat. Fürs Erste sollte das Cyber Command ein »untergeordnetes einheitliches Kommando« bei STRATCOM sein. Dem neuen Netzkriegkommando sollten auch die Einrichtungen der NSA unterstellt sein, womit viele Räder kein zweites Mal erfunden werden mussten. Die drei Teilstreitkräfte durften ihre Netzkriegseinheiten behalten, die jedoch dem Befehl des Cyber Command unterstellt wurden. Nicht der teilweise zivile Nachrichtendienst NSA, sondern die Teilstreitkräfte sollten in der Praxis die elektronische Kriegführung übernehmen. Die NSA besitzt zwar beträchtliche Erfahrung in der Infiltration von Netzen, aber die Rechtsvorschriften beschränken die Tätigkeit dieses Nachrichtendienstes auf die Informationssammlung und untersagen ihm jegliche Beteiligung an Kriegsaktivitäten.Daher müssen die Tastaturbefehle, mit denen feindliche Computersysteme ausgeschaltet werden, von Militärpersonal gegeben werden. Um das Cyber Command in seiner defensiven Funktion als Hüter der vernetzten Systeme des Verteidigungsministeriums zu unterstützen, wurde vereinbart, den Internetdienstanbieter (ISP) des Pentagonss neben dem der NSA in Fort Meade in Maryland anzusiedeln.
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