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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Arbeit. Eine halbe Stunde später schlängelte er sich, Hammer und Feile in der Hand, zwischen Kesseln mit rotglühender Schmelze hindurch und hackte klumpenweise Gußgrate von den Eisenstücken. In der ersten Woche schlief er in einem Büschel Wasserpfeffer nahe der Mündung des Acquasinnick Creek, wo ihn zweimal der Regen überraschte; sobald er den ersten Lohn in der Tasche hatte, nahm er ein Zimmer in einer Pension am westlichen Ende der Van Wart Road. Von dort wanderte er an den kürzer werdenden Samstagnachmittagen und an windigen Sonntagen zu den Hügeln hinauf, um mit dem Geist seiner Ahnen Einkehr zu halten.
    Auf einer dieser Wanderungen traf er Sasha Freeman.
    Ohne irgendein Gepäckstück, an dem ein zufälliger Beobachter ihn als den harmlosen Spaziergänger und Naturliebhaber hätte erkennen können, der er war – weder Rucksack noch Alpenstock, keine Feldflasche, keine in Pergamentpapier gewickelten Butterbrote –, stiefelte Jeremy eines warmen Septembernachmittags zum Van Wart Creek hinauf, mied die Straßen und hielt sich abseits der Hütten und Höfe. Er wollte nicht auf Zäune oder Verbotsschilder stoßen, keinen Wachhunden oder neugierigen weißen Gesichtern begegnen. Weiße Gesichter sah er bei der Arbeit zur Genüge. In seinem ureigenen Element, in den Wäldern, die sein Volk hervorgebracht hatten, wollte er sehen, wie die Hirsche zum Trinken an den Bach kamen, wie die Wachtel im Gras nistete, er wollte die Forellen in der Strömung wedeln sehen und sich an Schnelligkeit mit jener messen, die sein Mittagessen werden sollte ... mit Antipathie hatte es nichts zu tun, aber außerhalb der Mauern der Gießerei wollte er die Welt so sehen, wie sie gewesen war, und weiße Gesichter gehörten da nicht hinein.
    Doch es war ein weißes Gesicht, das ihn plötzlich erschreckt aus einem Berglorbeerbusch ansah, als er um eine Biegung des Baches kam und behende, ohne sich dessen bewußt zu sein, über eine umgestürzte Birke flankte. Das Gesicht war bärtig, mit Brille und schmalen, mißtrauischen Augen, und es saß auf dem blassen Körper eines splitternackten Mannes, der ein Buch in der Hand hielt. Jeremy erstarrte mitten in der Bewegung, mindestens ebenso verblüfft wie der nackte Mann, der sich dort unter dem Lorbeerbusch ausstreckte wie im eigenen Bett, und war etwas unsicher, ob er im Unterholz verschwinden oder seinen Weg einfach fortsetzen sollte, als wäre nichts passiert. Doch ehe er sich für das eine oder andere entscheiden konnte, kam der Weiße auf die Beine; er hüpfte in eine ausgebeulte kurze Hose hinein, rief einen Gruß und streckte freundlich die Hand aus, alles gleichzeitig. »Sasha Freeman«, sagte er und drückte dem Indianer die Hand, als hätte er ihn schon den ganzen Tag erwartet.
    Jeremy starrte verwundert auf ihn hinunter. Er war mindestens einen Kopf größer als der Fremde, der schmal und mit hängenden Schultern vor ihm stand, mit der Muskulatur eines heranwachsenden Mädchens und wild wuchernden schwarzen Locken, die ihm wie ein Pelz auf Armen und Beinen, auf dem Rücken, sogar auf Händen und Füßen sprossen. Etwas spärlicher wuchs sein Haar offenbar nur auf dem Kopf, denn dort dünnte es bereits etwas aus, obwohl er kaum älter als zwanzig sein konnte. »Auch ein Frischluftfanatiker, nehme ich an?« sagte der Fremde und blinzelte zu den Bäumen hinauf.
    »Sicher«, murmelte Jeremy und schüttelte abwesend die dargebotene Hand. »Frischluftfanatiker. Ja, genau.« Er war verlegen, ungeduldig, wütend auf diesen Fremden, der seine Einsamkeit störte; am liebsten wäre er weiter den Bach entlanggewandert, hätte den Zufluß erkundet, der zur Linken von dem dicht bewaldeten Hügel heruntersprudelte. Doch Sasha Freeman grinste wie ein irres Pferd, hüpfte wild herum, faßte ihn am Arm, offerierte Sandwiches, etwas zu trinken, einen Platz auf der Decke, und aus irgendeinem Grund – aus Einsamkeit oder weil er nett sein wollte – setzte sich Jeremy zu ihm.
    »Also, wie sagtest du, heißt du?« Sasha Freeman reichte ihm ein mit Eiern belegtes, halbes Sandwich und eine Blechtasse mit Obstpunsch.
    »Mohonk«, sagte Jeremy und sah beiseite. »Jeremy Mohonk.«
    »Mohonk«, wiederholte der Fremde nachdenklich, »den Namen habe ich noch nie gehört, glaube ich. Ist das eine Art Abkürzung für irgendwas?«
    Das war es in der Tat.
    »Kommt von Mohewoneck«, sagte Jeremy und starrte auf seine Schuhe. »Das war ein großer Häuptling meines Stammes.«
    »Deines Stammes ?« Mit der

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