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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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machte es, daß sie ihn jetzt noch stärker mied als je zuvor und ihre Besuche in der Reservation verdoppelte? Was machte es, wenn sie ihn mit ihrer Kriegsbemalung und den Lederhosen und alldem in der Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preisgab? Sie war schwanger, und Van Wart Manor würde seinen Erben bekommen.
    Und deshalb hatte Depeyster an diesem besonderen Tag – diesem Tag aller Tage – beim Rosenschneiden ein großartiges Gefühl. Überall im Haus waren an strategischen Punkten große Kristallvasen zur Erbauung der Schaulustigen und Hobbyhistoriker aufgestellt, die jeden Augenblick mit angemessen ehrfürchtigen, respektvollen Mienen eintreffen würden. Depeyster fühlte sich überschwenglich und unschlagbar; er fühlte sich wie Salomon, der die morgendlichen Bittsteller erwartete. Es war Juni, seine Frau war schwanger, die Sonne schien in all ihrer segnenden Herrlichkeit auf ihn herab, und sein Haus – das ehrwürdige, einzigartige, stattliche Haus von so unschätzbarem Wert – war für die Allgemeinheit geöffnet und machte sich hervorragend.
    »Hast du das von Peletiah Crane gehört?«
    Marguerite Mott, die dicht neben ihrer Schwester Muriel saß, balancierte eine Tasse aus weißem, dünnem Porzellan und sah erwartungsvoll zu ihrem Gastgeber auf. Der Nachmittag war fortgeschritten, und ein kleines Grüppchen von historisch Interessierten nahm, mit glasigen Blicken nach der aufreibenden dreistündigen Führung durch Haus und Grundstück, bei der jede Dachschindel erläutert und jede Nische erforscht worden war, im vorderen Salon Erfrischungen ein. Lula, mit einer weißen Schürze und einem Häubchen angetan, hatte soeben Tee und einen sehr alten, leicht modrigen Sherry sowie eine Platte mit Leberpastete aus der Dose auf altbackenen Salzkeksen serviert, und das Grüppchen – zwei Nonnen, ein Automechaniker und Autodidakt, eine Anwaltsgehilfin aus Briarcliff und der achtzigjährige, verhutzelte Schatzmeister der Heimatkundegesellschaft von Hopewell Junction, außerdem Walter Van Brunt, LeClerc, Ginny Outhouse und last not least die respektheischenden Mott-Schwestern – fiel über diese bescheidenen Gaben her wie Überlebende einer Wüstendurchquerung.
    Marguerites Frage riß den zwölften Erben mitten aus einer komplexen architektonischen Abhandlung darüber, wie sich das Haus in seiner heutigen Form im Laufe von Generationen aus dem bescheidenen Salon entwickelt hätte, in dem sie jetzt stünden. Mit der Energie und Lebhaftigkeit eines Mannes von der Hälfte seiner Jahre hatte Depeyster den Schatzmeister und die Anwaltsgehilfin schwungvoll in die Ecke getrieben, gegen den Rosenholzflügel von Nunns, Clark & Co., und sie gezwungen, die Stärke und Festigkeit der Wand dahinter zu bewundern. »Aus Feldsteinen der Umgegend und mit Mörtel aus Austernschalen gemauert, die Wand steht seit 1650«, sagte er. »Natürlich haben wir sie seitdem gestrichen, neu verputzt, kleine Schäden repariert – nur zu, fassen Sie ruhig hin –, aber das ist sie, die Originalmauer, die Oloffe und Lubbertus Van Wart vor dreinhundertneunzehn Jahren hochgezogen haben.« Depeyster redete seit drei Stunden, und er hatte nicht vor, jetzt aufzuhören – nicht solange er noch Publikum hatte. »Der patroon ließ sich in Croton, im unteren Gutshaus, nieder – Sie wissen ja, das Museum –, und dieses hier baute er für seinen Bruder, aber nachdem Lubbertus verstorben war, wechselte er zwischen den beiden hin und her. Ironischerweise verlor unsere Familie das ›Unterhaus‹ kurz nach der Revolution – aber das ist eine andere Geschichte –, während das ›Oberhaus‹ stets von den Van Warts bewohnt war, seit jenem Tag, als –« Er hielt abrupt inne und wandte sich an Marguerite. »Was hast du gesagt?«
    »Peletiah. Hast du das von Peletiah Crane gehört?«
    Sofort waren die Anwaltsgehilfin und der Schatzmeister vergessen, und Depeysters Herz machte einen Satz. »Ist er tot?« quietschte er, fast außer sich vor Aufregung.
    Der Automechaniker beobachtete ihn; LeClerc und Walter, die sich angeregt unterhielten, blickten neugierig auf.
    »Nein«, wisperte Marguerite, schürzte die Lippen und zwinkerte ihm geschäftsmäßig zu, »das noch nicht.« Sie ließ einen Moment voll lastender Bedeutsamkeit verstreichen und spielte dann ihren Trumpf aus: »Einen Schlaganfall hat er gehabt.«
    Er wollte nicht allzu gespannt wirken – die Anwaltsgehilfin schien leicht unruhig, getraute sich nicht, die Tasse abzustellen, und der alte Knacker

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