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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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denn ihre spontane, historische Improvisation gehe zurück auf die Ureinwohner des Hudson Valley und so weiter – ganz nett, was?
    Der Einfall beruhigte ihn, und er wollte sich gerade mit einer Anekdote auf den Lippen der kleineren der Nonnen zuwenden, als die Tür nochmals aufflog und seine streunende Tochter Mardi ins Zimmer gestürzt kam. »Hallo, hallo, alle zusammen!« rief sie, »ist das nicht ein herrlicher Tag heute?« Sie trug einen Bikini mit Leopardenfellmuster, der mehr von ihr zeigte, als ihr Vater sehen wollte, und ihre Haut war vom langen Sonnenbaden beinahe so rot wie die ihrer Mutter. Als erstes ging sie auf die Sherrykaraffe los, kippte ein Glas, zog ein säuerliches Gesicht und kippte ein zweites.
    Das war zuviel, das war unmöglich.
    Depeyster wandte sich von dieser entsetzlichen Szene ab und tastete nach einer Prise Kellerstaub, um sie sich in den Tee zu streuen; der Mechaniker drängte sich an ihn, die Nonnen standen mit offenem Mund da, die Anwaltsgehilfin machte sich bereit zum Gehen. »Oh, hallo, LeClerc«, hörte er seine Tochter sagen, ölig und gekünstelt wie ein Versicherungsvertreter. »Muß ’ne Stange Geld kosten, das Haus hier zu heizen«, bemerkte der Mechaniker.
    Das nächste, was er mitbekam, war, daß Mardi Walter aus dem Zimmer führte – »Komm mal mit nach oben«, schnurrte sie, »ich will dir was zeigen« –, die Nonnen dankten ihm für den wunderbaren Nachmittag, Joanna hatte mitten auf dem türkischen Läufer ihr Bündel aufgewickelt und angefangen, indianische Töpferwaren feilzubieten, und LeClerc und Ginny machten Pläne fürs Abendessen. »Wie wär’s mit diesem Italiener in Somers?« schlug Ginny vor. »Oder mit dem Chinesen in Yorktown?«
    Und dann stand er an der Haustür, schüttelte betäubt dem Mechaniker die Hand, der für zwei unglasierte indianische Aschenbecher je fünf Dollar hingeblättert hatte (sahen aus wie mißlungene Übungen aus dem Kindergarten – was sollten die Dinger überhaupt darstellen: Fische?). »Was dagegen, wenn ich mir noch mal kurz die Verrohrung ansehe?« Der Mechaniker – ein junger Mann, aber kahl wie ein Ei – bedachte ihn mit einem warmen, beinahe frommen Blick. »Würde mich echt interessieren, wie sie die Leitungen durch diese meterdicken Mauern gelegt haben.«
    »Oder vielleicht das Restaurant in Amawalk? Steaks und Hummer? Was sagst du dazu, Dipe?« sagte LeClerc und zog ihn von dem Mechaniker weg.
    Was er dazu sagte? Die Mott-Schwestern schirmten ihren Rückzug mit einem Sperrfeuer von Klischees und Unaufrichtigkeiten ab, der alte Knacker aus Hopewell Junction verkündete mit Trompetenstimme, jemand müsse ihn zur Toilette führen, und die Anwaltsgehilfin war ohne ein Wort gegangen. Depeyster war benommen, geschlagen, traumatisiert, er konnte überhaupt nichts dazu sagen. Der Tag lag in Trümmern.
    Für Walter dagegen begann der Tag eben erst.
    Er hatte mit LeClerc Outhouse herumgesessen, sich in dem modischen Leinenanzug und dem die Kehle zuschnürenden Schlips höchst unwohl gefühlt, nach der Tour durch das Anwesen taten ihm die Waden weh, er hatte unaufrichtig und mit wenig Überzeugung die moralische Notwendigkeit des amerikanischen Engagements in Indochina diskutiert – wonach die USA praktisch die Pflicht hätten, die Schlitzaugen dort so lange zu bombardieren, bis sie endlich klein beigaben. Und jetzt folgte er auf einmal Mardis verlockendem Hintern die Treppe hinauf in die verführerische Zuflucht ihres dunklen, nur von einer Schwarzlichtlampe erhellten Zimmers. Sie redete nebensächliches Zeug, plapperte daher. Ob er schon wüßte, daß Hector bei der Marineinfanterie war? Oder daß Herbert Pompey mit der La Mancha- Truppe eine Tournee machte? Oder daß Joeys Band auseinandergebrochen war? Mit Joey habe sie übrigens Schluß gemacht, wußte er das schon?
    Sie waren jetzt in Mardis Zimmer, und sie drehte sich um und sah ihn an, während sie diesen letzten Satz sprach. Die Wände waren schwarz gestrichen, die Vorhänge zugezogen. Hinter ihr, im Schein der Schwarzlichtlampe, schimmerte böse ein Poster von Jimi Hendrix, das Gesicht verzerrt in der Ekstase des Gitarren-Feedbacks. Walter grinste sie zynisch an und ließ sich auf dem Bett nieder.
    Tatsächlich wußte er nichts davon, daß Hector zu den Marines und Herbert auf Tournee gegangen war – seit der Entlassung aus dem Krankenhaus hatte er sich nicht mehr im »Elbow« sehen lassen. Und was Joey anging, so hätte sich bei ihm höchstens ein Gefühl

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