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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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aus Hopewell Junction machte den Eindruck, als träfe ihn gleich selber der Schlag –, deshalb zählte er leise bis drei, ehe er fragte: »Ist es ... ernst?«
    Marguerites Lächeln war dünn, die hell geschminkten Lippen preßten sich fest zusammen, die Grundierung in ihren Augenwinkeln wies nur feine Risse auf. Es war ein Immobilienmaklerlächeln, aus dem leiser Triumph sprach, da ein dorniges Geschäft endlich zum Abschluß kommen würde. »Er kann nicht mehr laufen«, sagte sie. »Sprechen und essen auch nicht. Er dämmert nur noch so dahin.«
    »Ja«, bestätigte Muriel, die nun ihr lasiertes Gesicht dazwischenschob, »es sieht schlecht aus.«
    Sieht schlecht aus. Die Worte erregten ihn, stimmten ihn froh, erfüllten ihn mit rachsüchtigem Vergnügen. Also ging der alte Landräuber, diese Kommunistensau mit der langen Nase endlich doch über den Jordan, gab endlich den Löffel ab ... und dann wäre sein Enkel – dieser Drogenfreak – Besitzer des Grundstücks. Es war einfach zu perfekt. Von wegen achttausendfünfhundert pro Hektar – ha! Er würde es für die Hälfte, für ein Viertel davon kriegen – dem würde er nur das zu bezahlen brauchen, was der nächste Schuß oder Trip kostete, oder was der Bursche auch immer nehmen mochte ... ja, und dann würde er sich ein Pferd kaufen, einen Kentucky Walker, wie sein Vater einen gehabt hatte, gute alte Zucht, Blesse auf der Stirn; er würde die Stallungen renovieren, im Stadtrat dafür Stimmung machen, daß wieder eines dieser Reiterweg-Schilder oben an der Einfahrt zum Grundstück angebracht wurde, und dann würde er, seinen Sohn vor sich im Sattel, jeden Morgen als erstes über sein Anwesen traben, das Funkeln der Sonne wie Feuer auf dem Bach, das Knacken der Hickorynüsse unter den Hufen, ein warmes Frühstück auf dem Tisch ...
    Unglücklicherweise wurde der grandiose Triumphzug seiner Gedanken schlagartig lahmgelegt. Denn durch das Fenster sah er Joanna, in voller Indianermontur, ein Bündel von der Größe und Form eines Büffelkopfs auf den Schultern. Sie kam zurück. Zu früh. Zerrte Gerümpel aus dem Kombiwagen, und das mitten im Blickfeld der Anwaltsgehilfin und des keuchenden Opas aus Hopewell Junction. Aber was macht sie denn so früh zu Hause? dachte er in wachsender Panik. Sollte sie nicht weit weg in Jamestown sein und die große Dosenmais-Verkaufsaktion oder so was Ähnliches leiten? Abrupt setzte er sich in Bewegung, entfernte sich unter heftigem Kopfnicken aus der Reichweite der Mott-Schwestern und ihrem wächsernen Lächeln, schüttelte eine Frage des Automechanikers über Wärmedämmung und Heizkosten ab und versuchte verzweifelt, seine Frau abzufangen.
    Er kam zu spät.
    Die Flügeltür zum Salon öffnete sich, und da stand sie, ausgefranste Lederhosen und Plastikperlenkette, ihre Haut hatte die dunkle Farbe von rotem Burgunder. »Oh«, brachte sie hervor, sah sich verwirrt im Zimmer um und wandte sich dann an ihren Mann, »ich hab die vielen Autos gesehen ... aber ich bin einfach – da haben wir wohl heute Tag der offenen Tür – oder was?«
    Schweigen regierte den Raum wie Angst.
    Die Nonnen wirkten verwirrt, die Anwaltsgehilfin entsetzt; Ginny Outhouse lächelte gezwungen. Erst Lula brach den Bann, indem sie ihr das Tablett mit den Keksen und der Leberpastete offerierte. »Paar Plätzchen vielleicht, Missis Van Wart?« fragte sie. »Sie müssen ja nach der Fahrt halb verhungert sein.«
    »Dank dir, Lula, nein«, sagte Joanna und ließ ihr Bündel klatschend zu Boden fallen, »ich hab unterwegs etwas – etwas Trockenfleisch gegessen.«
    Mittlerweile war Depeyster vorgetreten, um sie steif zu begrüßen. Muriel hatte begonnen, belangloses Geplapper von sich zu geben (»Ja, wie geht es dir denn, meine Liebe, so schön, dich wieder einmal zu sehen, du siehst ja blendend aus, aha, und du rettest immer noch die Indianer, wie ich sehe«), und die anderen hatten ihre geraunten Unterhaltungen wiederaufgenommen.
    Depeyster war es schrecklich peinlich. LeClerc und Ginny waren ja alte Freunde – sie wußten, daß Joanna zunehmend verschrobener wurde, also machte es nichts. Fast nichts jedenfalls. Und Walter war sein Protegé, auch kein Problem. Aber die übrigen, die Mott-Schwestern und diese Fremden – was mußten die denn denken? Und dann kam ihm eine Idee. Er würde sie beiseite nehmen, einen nach dem anderen (genau, das war die Lösung), und ihnen erläutern, daß die Aufmachung seiner Frau ganz dem Geist des Tags der offenen Tür entspreche,

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