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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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überschwenglicher Freude eingestellt, wäre die Band nicht nur auseinandergebrochen, sondern in die Luft geflogen und in tausend Stücke zerfetzt worden. Mardi hatte ihn verletzt. Hatte ihn tief getroffen. Ihn an einer Stelle verwundet, wo Meursault nicht verwundbar gewesen wäre. Und das hatte ihm gutgetan. Er war jetzt stärker. Härter und leidenschaftsloser denn je, losgerissen von all seinen Ankern – von Jessica, von Tom, von Mardi und Hesh und Lola –, der einzelgängerische Wolf, der einsame Cowboy, der Einzelkämpfer auf der Suche nach der Wahrheit. Liebe? Das war doch ein Dreck.
    Nein. Mit Mardi, Tom, Jessica war er nicht zusammengekommen – mit keinem von ihnen. Um so öfter war er dafür mit Miss Egthuysen zusammengewesen. Siebenundzwanzig Jahre, geschlitzte Röcke, Lippen wie Schmetterlinge. Und mit Depeyster war er auch viel zusammen. Sehr viel. Lernte von ihm das Geschäft, lernte Geschichte. Er war aus dem Schindelbungalow in der Kitchawank Colony in eine eigene Wohnung umgezogen – in ein efeubewachsenes Gästehaus hinter der großen alten Villa über dem Bach in Van Wartville. Und die Norton war auch weg. Er fuhr jetzt ein MGA-Kabriolett, schnittig, kehlig und schnell.
    Mardi zog die Tür zu. Die Haare hingen ihr ins Gesicht, die glatte, makellose Fläche ihres Bauchs war von der Sonne feuerrot, um einen Knöchel schlang sich ein Goldkettchen. Sie ging durch das Zimmer, um die Nadel auf eine Schallplatte aufzusetzen, und der Raum füllte sich mit tosendem Schlagzeugdonner und dem dünnen, manischen Jaulen einer Gitarre. Walter grinste immer noch, als sie sich wieder zu ihm umdrehte. »Also, was wolltest du mir zeigen?« fragte er.
    Sie tappte durch das Zimmer zurück, ein Musterbild nackten Fleisches – Walter dachte an seine Vorfahren und daran, welche Wallungen bei ihnen bereits der Anblick eines entblößten Knöchels entfacht hatte –, und streckte ihm die geballte Faust entgegen. »Das hier«, sagte sie und öffnete die Hand, um ihm einen dicken gelben Joint zu zeigen. Sie ließ einen kurzen Moment verstreichen, dann machte sie das Bikini-Oberteil auf und schlüpfte aus dem Leopardenfellhöschen. »Und das«, flüsterte sie.

IN DE PEKEL ZITTEN 3
    Nun gut, da trieben also eine Van Wart und ein Van Brunt Unzucht in historischer Umgebung, doch hatte es drei Jahrhunderte gebraucht, bis ihnen eine so demokratische Vereinigung möglich war. Einst wäre so etwas undenkbar gewesen. Unsagbar undenkbar. Genauso absurd wie die Paarung von Löwen mit Kröten oder von Schweinen mit Fischen. In jenen lang vergangenen Tagen, als Jeremias Van Brunt sich abrackerte, um seinen Pachtvertrag zu erfüllen, als die Autorität des Gutsherrn unangefochten war und jene, die dessen Ländereien bestellten, gesellschaftlich wenig mehr galten als russische Leibeigene, kam es zu Annäherungen zwischen den Van Brunts und den Van Warts höchstens bei Gelegenheiten wie dem Vorfall mit dem pogamoggan , bei dem besagter Jeremias gedroht hatte, dem jongheer den Schädel einzuschlagen.
    Zu jener Zeit war der Vorfall als ernsthafte Herausforderung gutsherrlicher Hoheitsrechte erschienen – beinahe als ein Akt der Revolte –, doch im Laufe der Jahre wurde all das vergessen. Oder jedenfalls mit einigen Schaufeln Erde zugedeckt, wie ein überstürzt begrabener Leichnam. Da er vollauf damit beschäftigt war, für seine prächtig gedeihende Familie zu sorgen und den anarchischen Kräften der Natur zu trotzen, die den kleinen Bauernhof jederzeit zu überwältigen und Jeremias in jene elende Armut zurückzustürzen drohten, wie er sie nach dem Tode seiner Eltern durchlitten hatte, verschwendete er kaum mehr als hin und wieder einen flüchtigen Gedanken auf den patroon. Eigentlich wurde er auch nur einmal im Jahr an den Mann erinnert, der über ihn herrschte und mit dessen gnädiger Duldung er sein täglich Brot verdiente und ein Dach über dem Kopf hatte: im November, wenn der Pachtzins zu leisten war.
    Jedesmal tobte, wütete und schimpfte er schon Wochen vor dem Fälligkeitstag über die himmelschreiende Ungerechtigkeit, und der alte flammensprühende Geist der Widerspenstigkeit erhob sich wie ein Phönix aus der Asche seiner Zufriedenheit. »Ich zieh von hier fort!« schrie er dann. »Eh’ ich diesem dreckigen Fettarsch von Parasiten auch nur einen einzigen Penny zahl, pack ich lieber die Möbel, den letzten Teller und die letzte Tasse und Untertasse ein und fahr zurück nach Schobbejacken!« Und jedes Jahr flehten ihn

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