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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Neeltje und die Kinder an, bettelten und baten und redeten auf ihn ein, und letztlich riegelte er sich dann am Fünfzehnten, wenn Ter Dingas Bosyn im Planwagen des patroon dahergerumpelt kam, mit einer Flasche Rum im Hinterzimmer ein und ließ seine Frau die Münzen auf den Tisch zählen, die Töpfe mit Butter, die Viertelscheffel Weizen und die vier fetten Poularden abliefern, die der Gutsherr jährlich als Pacht einforderte. Wenn er am nächsten Tag dann kleinlaut und mit verschwiemelten Augen wieder hervorkam, wanderte er wortlos in den Hof hinaus, um das Scheunentor zu reparieren oder die Wand des Hühnerhauses auszubessern, durch die sich die Stachelschweine einen Weg genagt hatten.
    Auf der Gegenseite sah sich Stephanus, der seinem Vater als patroon gefolgt war, als die Pestilenz von ’68 den alten Mann in einem Hustenanfall dahingerafft hatte, viel zu beschäftigt damit, in dem vom Gouverneur eingesetzten Rat der Zehn (dessen Leitstern und Vorsitzender er war) seine politischen Manöver zu kalkulieren, die vom Vater geerbte Reederei zu führen und nebenbei seine eigene Familie großzuziehen, als daß er sich persönlich um irgendeinen ignoranten Ackerbauern auf einem fernen, unwichtigen Grundstück kümmern konnte. Ihm genügte es, daß dieser Ackerbauer seine jährliche Pacht entrichtete – und das war ordnungsgemäß im Hauptbuch des commis für das jeweilige Jahr verzeichnet. Darüber hinaus konnte Jeremias, was Stephanus Van Wart anlangte, dreimal zum Teufel und wieder zurück gehen.
    So weit, so gut. Zwölf Jahre lang gingen die Van Warts und die Van Brunts dergestalt ihrer eigenen Wege, die Wunden verheilten langsam, und eine Art Waffenstillstand legte sich über das Tal.
    Aber man kratze am Schorf, und sei es noch so sachte, schon blutet es von neuem.
    Und so geschah es, daß im Sommer des Jahres 1679, kurz nach Jeremias’ dreißigstem Geburtstag, Neeltjes Vater, der gefürchtete schout , dem Hof auf Nysen’s Roost einen Besuch abstattete und dabei eine Botschaft des patroon mitbrachte. Joost traf am späten Nachmittag ein, da seine Runde durch die benachbarten Höfe ihn den größten Teil des Tages gekostet hatte. Inzwischen war er fünfzig und seine Haltung krummer denn je; der Buckel hatte sich so verschlimmert, daß er den Kopf auf dem Brustbein zu balancieren schien, und sein Pferd war genauso klapprig, eingefallen und bösartig wie Donder, der Klepper, den er zuvor geritten und dessen Tod niemand beklagt hatte. Mit seinem feurigen Schwiegersohn hatte er sich längst versöhnt (obwohl ihm jedesmal die linke Schläfe pochte und er Ohrensausen bekam, wenn sein Blick auf den pogamoggan am Haken neben dem Herd fiel), daher willigte er gern ein, als Neeltje ihn bat, über Nacht zu bleiben.
    Beim Abendbrot – oder vielmehr kurz danach, als Neeltje Kümmelplätzchen und einen dampfenden, nach Zimt duftenden Glühwein servierte – tischte Joost ihnen die Neuigkeit auf. Die ganze Familie saß um den großen Tisch versammelt, wo Neeltje das zartgeäderte Porzellan und das Zutphen-Glasgeschirr gedeckt hatte, das sie beim Tod ihrer Mutter geerbt hatte. Jeremias – behäbig, mit struppigem Schnurrbart und ohne Hut auf dem Kopf – schob mit einem Seufzer seinen Stuhl zurück und zündete sich eine Pfeife an. Auf der Bank neben ihm saßen die Jungen, aufgereiht wie die Orgelpfeifen: sein Neffe Jeremy mit dem wilden Blick und den pechschwarzen Haaren, inzwischen fast fünfzehn und so verschlossen, daß er selbst Steine zur Verzweiflung brachte; der elfeinhalbjährige Wouter, der seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war; und schließlich Harmanus und Staats, acht und sechs Jahre alt. Die Mädchen – alle drei ebenso zart, dunkeläugig und hübsch wie ihre Mutter – hatten ihren Platz auf der anderen Seite des Tisches, neben dem Großvater. Geesje, die Neunjährige, half ihrer Mutter beim Tischdecken. Agatha und Gertruyd waren vier und zwei. Sie warteten auf die Kümmelplätzchen.
    »Also, younker «, begann Joost, während er den Kopf einer Tonpfeife, die halb so lang war wie sein Arm, mit Tabak stopfte, »ich habe dir einen Auftrag des patroon auszurichten.«
    »Aha«, sagte Jeremias so gleichgültig, als ginge es um den Kaiser von China, »und was will er?«
    »Nicht viel«, brachte Joost zwischen tiefen, schmatzenden Zügen am Mundstück seiner Pfeife hervor, »nicht viel. Nur eine Straße bauen.«
    Jeremias sagte nichts. Geesje räumte die Zinnschüsseln der Kinder und die Reste der Milchsuppe

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