Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
weg. Kerzengerade und mit unergründlicher Miene wechselte Jeremy Mohonk mit Wouter einen Blick. »Eine Straße bauen?« echote Neeltje und stellte die Schale mit dem Glühwein ab.
    »Mm-mh«, machte ihr Vater, dabei sog und paffte er derart hektisch, als wäre er ins eisige Wasser des Acquasinnick Creek gefallen. »Er will den Rest des Sommers hier im oberen Gutshaus verbringen. Mit einem Zimmermann aus New York. Er hat nämlich vor, das Haus aufzuputzen und zu reparieren. Sein Bruder hat zwar keine Lust, aus Haarlem herüberzukommen und es zu übernehmen, aber inzwischen ist wohl Lubbertus’ Junge alt genug, um dort einzuziehen und eine Familie zu gründen ...«
    »Und was hab ich damit zu schaffen?« fragte Jeremias, der jetzt selbst rauchte und eine bittere schwarze Qualmwolke ausstieß.
    »Na ja, darum geht’s ja, weißt du – deshalb mache ich ja diese Runde zu den Pächtern. Der patroon will –«
    Jeremias schnitt ihm das Wort ab. »Patroon gibt’s gar keinen mehr – das ist jetzt eine englische Kolonie.«
    Joost blies Rauch aus und ließ den Einwand mit einem ungeduldigen Wedeln der Hand zu. Sein Kopf hob sich von der Brust, und er fuhr fort: » Patroon , Gutsherr – wo liegt da schon der Unterschied? Jedenfalls verlangt er von jedem Pächter, mit seinem Ochsengespann fünf Tage lang für ihn zu arbeiten – er will die Straße von Jan Pieterses Laden zum oberen Gutshaus erweitern und dann bis zu den neuen Höfen bei Crom’s Pond verlängern. Eines Tages wird hier einmal eine Postkutsche verkehren, und mijnheer will sichergehen, daß sie auch bei ihm hält.«
    Jeremias legte die Pfeife beiseite und schöpfte sich eine Tasse voll Glühwein. »Da mach ich nicht mit«, sagte er.
    »Du willst nicht mitmachen?« Joosts Miene wurde hart. Er beobachtete, wie sich die Narbe auf der Wange seines Schwiegersohns vor Zorn rötete und gleich wieder kalkweiß wurde. »Dir bleibt keine Wahl«, sagte er. »Es steht in deinem Vertrag.«
    »Scheiß auf den Vertrag.«
    Also ging wieder alles von vorn los. Jeremias würde es nie lernen, nie akzeptieren, und wenn man ihn hundert Jahre lang in eine Zelle sperrte. Doch diesmal ließ sich Joost zu nichts hinreißen. Diesmal lagen die Dinge anders. Jetzt saß der Abtrünnige mit ihm am selben Tisch, war der Mann seiner Tochter, der Vater seiner Enkelkinder. »Aber der patroon –« begann Joost mit größter Zurückhaltung und versuchte, vernünftig mit ihm zu reden.
    Er verschwendete seine Puste.
    Jeremias’ Faust krachte mit solcher Wucht auf den Tisch nieder, daß die Teller hüpften und die kleine Gertruyd vor Schreck in Tränen ausbrach. »Scheiß auf den patroon!« fauchte er.
    Während sein Vater diesen Wutanfall hatte, saß Wouter stumm und mit gesenktem Kopf dabei, den Blick auf den Teller mit Kümmelplätzchen in der Mitte des Tisches geheftet. »Jeremias«, sagte seine Mutter mit dieser leise tadelnden Stimme, die Wouter nur allzugut kannte, »du weißt doch, es ist deine Pflicht. Wozu dagegen ankämpfen?«
    Kaum waren die Worte ihrem Mund entschlüpft, richtete sich der Zorn seines Vaters sofort gegen sie – Wouter hätte ihn vorhersagen können: den sturen, streitsüchtigen Ton in der Stimme des Alten, der nun immer lauter brüllte und schließlich eine donnernde Haßtirade gegen den patroon, den Gouverneur, den Pachtzins, die Steuern, den steinigen Boden, Holzwürmer, Termiten, Ohrenkneifer und alles andere losließ, was ihm in den Sinn kam. Als sein Vater sich der Mutter zuwandte und sie unwillkürlich vom Tisch zurückwich, schnappte Wouter blitzschnell nach den Kümmelplätzchen, stopfte sich eine Handvoll davon ins Hemd und nickte Jeremy zu. »Wouter hat alle Plätzchen genommen!« heulte der kleine Harmanus, doch niemand hörte in der Hitze des Gefechts auf ihn. Während die beiden Komplizen sich vom Tisch wegstahlen und zur Tür hinausschlüpften, erhob nun auch Großvater Cats die Stimme und schrie alle an, sich zu beruhigen, sich bitte endlich zu beruhigen!
    Weder Wouter noch Jeremy sprachen ein Wort, als sie sich im Zwielicht des Abends den Pfad zum Acquasinnick Creek hinabtasteten. Sie waren den Weg unendlich oft hinauf- und hinuntergegangen, und obwohl man kaum noch etwas sah, kannten sie jede Senke, jeden Abhang, jedes Loch und jeden Steingrat, als hätten sie den Pfad selbst angelegt. In weniger als fünf Minuten saßen sie auf der hohen, unterspülten Uferböschung, lauschten dem Glucksen und Platschen der auftauchenden Forellen und der

Weitere Kostenlose Bücher