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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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waren. Mit einem Mal lag im sausenden Fahrtwind der süße Duft des Vanillearomas, das sie sich hinter die Ohren, auf Hand- und Fußgelenke und zwischen die Brüste tupfte (extra sahnige Milchshakes, Zabaglione, Buttercremetorten, an so etwas dachte er, wenn er die Augen schloß und sich in ihr samtweiches, duftendes Inneres versenkte), und er trat so fest auf die Bremse, daß der Wagen ausbrach und erst neunzig Meter weiter quietschend zum Stehen kam. Im nächsten Moment rumpelte er über den grasbewachsenen Mittelstreifen – aus beiden Richtungen kam gerade keiner, Gott sei Dank – und fegte auf der anderen Fahrbahn davon, zurück nach Süden.
    Die Flasche war zu zwei Dritteln leer, und die zweite Enttäuschung dieses Tages bahnte sich an, als er heftig auf das drückte, was vorübergehend den schimmernden Nabel von Miss Egthuysens Dasein darstellte: den Klingelknopf an ihrer Tür. Er lauschte, erst noch in Vorfreude, dann ungeduldig und schließlich voller Verzweiflung, die bereits in Wut umschlug, wie der gellende Ton des Summers durch den unaufgeräumten Korridor schallte, der ihm so vertraut war. Es war niemand zu Hause. Er fühlte sich geschlagen. Ausgezählt. Mißbraucht. Diese Schlampe, murmelte er. Er setzte sich schwerfällig auf die Eingangsstufen und spähte in den Hals der Flasche wie ein Juwelier beim Prüfen eines Edelsteins. Wie es der Zufall wollte, setzte er sich in irgend etwas Harziges, Klebriges – etwas, das den Farbton seiner beigen Anzughose auf irreversible Weise umzuwandeln begann, doch er war viel zu hinüber, um das zu bemerken.
    Übermannt von trunkener Schwermut setzte Walter die Whiskeyflasche wieder an und trank; zwischendurch fiel sein Blick auf die verkniffenen Zensorenzüge von Mrs. Deering, Lauras Hausherrin, die hinter dem sonnenbeschienenen Fenster der Nachbarwohnung stand und ihn angewidert musterte. Walter ließ die Flasche kurz sinken und gönnte ihr das grimmige, bestialische Grinsen eines unzurechnungsfähigen Lustmörders, so daß sie vom Fenster zurückschreckte, als hätte sie gerade einen Schwachsinnigen beim Masturbieren beobachtet. Ihn keine Sekunde aus den Augen lassend, verschwand sie in der Festung ihrer Wohnung, zweifellos in der Absicht, den Sheriff, die Staatspolizei und die nächste Kaserne der Nationalgarde zu alarmieren. Bitte sehr. Was kümmerte das Walter? Was konnten die ihm schon anhaben – ihn an den Füßen aufhängen? Bei dieser Idee lachte er rauh auf, doch verstärkte sie nur noch seine Schwermut. Tatsache war, daß ihm Miss Egthuysens zuckersüße Erquickungen nicht zur Verfügung standen und die Flasche beinahe leer war. Ja, und seine Frau lebte mit seinem besten Freund zusammen, er selbst war ein Krüppel, ungeliebt und von der Geschichte gegeißelt, und all seine Briefe an Truman Van Brunt, postlagernd Barrow/Alaska, hatten sich in der verschneiten Ödnis verloren, blasse Botschaften, die im unendlichen Weiß begraben lagen.
    Fluchend packte er das rostige Eisengeländer und zog sich daran hoch. Er blieb einen Moment stehen, schwankte wie ein junger Baum im Sturm und starrte zornig auf Mrs. Deerings Fenster, als forderte er sie heraus, sich nochmals dort zu zeigen. Dann leerte er die Flasche endgültig, warf sie ins Gebüsch, wischte sich die Hände am Hemd ab. Als er auf sein Auto zuwankte, kam ein Junge – ungefähr neun Jahre alt, rotes Haar und Sommersprossen – auf seinem Fahrrad den Gehweg entlanggesaust, und Walter konnte nur mit Mühe ausweichen. Leider forderte ihm das rasante Manöver derart viel Konzentration und Willenskraft ab, daß er anderen Hindernissen keine Beachtung schenkte. Wie etwa dem Hydranten. Im nächsten Augenblick war der Junge verschwunden, Mrs. Deering stand wieder an ihrem Fenster, und Walter lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Rasen.
    Als er endlich im Auto saß, untersuchte er die Grasflecken auf seinen ehemals beigen Hosen und den verräterischen Klecks auf der gemusterten Krawatte. Was denn noch alles? knurrte er wütend, riß sich den Schlips herunter und schleuderte ihn auf die Straße. Es dauerte eine Weile, bis er den Schlüssel in den schmalen silbernen Schlitz des Zündschlosses hineinbugsiert hatte, das ihm ständig auswich und dann wieder zurückfederte, wie der Schwimmer, wenn ein Fisch am Köder knabbert, aber schließlich gelang es doch, und er ließ den Motor mit vibraphonischem Klirren der Kipphebel aufheulen. Er sah sich kurz um, die Welt wirkte plötzlich fremdartig, sein Gesicht

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