Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
und den Fiat zu zwängen, ohne irgendwo anzustoßen. Das heißt, soweit er es bemerkte. Er kauerte gerade leicht benommen vor dem MG und inspizierte die Stoßstange, wo sie die Tafel touchiert hatte, als er die Haustür knallen hörte. Er blickte auf und sah Joanna die Treppe herunter und auf sich zukommen.
    Sie trug Mokassins und Leggings aus fransigem Wildleder, das mit Fett- oder Tintenflecken oder ähnlichem bespritzt war, und ihre Haut war seltsam rotbraun getönt, in der Farbe von alten Ziegeln. Kleine Federn und Muscheln und alles mögliche baumelte in ihrem struppigen, verfilzten Haar, das derart vor Fett glänzte, als hätte sie eine Kurspülung mit Salatöl gemacht. In den Armen hielt sie einen Karton. Einen großen Pappkarton aus dem Supermarkt mit einer Waschmittelwerbung drauf: Bringt strahlende Frische in Ihre Hemden und in jeden neuen Tag. Der Karton war total überladen, und sie balancierte ihn auf der Spitze ihres vorstehenden Bauchs. Sie watschelte ein wenig, und auf ihren Lippen lag ein seliges Lächeln.
    »Hallo«, sagte Walter, richtete sich auf und rieb sich die Hände, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, daß er vor ihrem Haus am Boden kauerte. »Wollte nur mal nachsehen, äh, ob die Karre immer noch Öl verliert, wissen Sie?« nuschelte er und machte aus dem Satz Frage, Verteidigung und Ausrede zugleich.
    Joanna hatte ihn offenbar nicht gehört. Watschelte weiter auf ihn zu, in den Armen den riesigen Karton voller – ja, was war eigentlich drin, Puppen? »Hallo«, sagte Walter noch einmal, als sie vor ihm stand, »kann ich Ihnen das abnehmen?«
    Erst jetzt schien sie ihn wahrzunehmen. »Oh, hallo«, begrüßte sie ihn, aber so ruhig und gefaßt, als hätte sie ihn schon erwartet, »Sie haben mich aber erschreckt.« Sie hatte Augen wie Mardi, nur daß in ihren alles Eis geschmolzen war. Sie machte überhaupt keinen erschreckten Eindruck. Hätte Walter sie nicht gekannt, hätte er vermutet, sie wäre stoned. »Ja«, sagte sie und schob ihm ihre Last in die Arme, »gerne.«
    Walter nahm den Karton. Es lagen Puppen drin. Oder vielmehr Puppenteile: Köpfe, Torsos ohne Gliedmaßen, einzelne Arme und Beine mit aufgemalten Socken und Schuhen. Jedes Stück – ob Gesicht, Arm oder Bein, ob Hinterteil, Bauch oder Brustkorb – war mit einer Art Lack oder Paste beschmiert, was dem Ganzen ein rostfarbenes Aussehen verlieh, Fleisch in der Farbe von Gartenwerkzeug, das im Regen liegengeblieben ist. Walter preßte sich den Karton gegen die Brust, während Joanna in ihrer Handtasche aus Kaninchenfell nach den Schlüsseln für die Heckklappe des Kombi suchte.
    Sie brauchte eine halbe Ewigkeit. Walter fühlte sich langsam unwohl, wie er in seiner verdreckten Hose und dem schweißnassen Hemd unter der gnadenlosen Augustsonne stand und betrunken diesen Haufen abgetrennter Gliedmaßen, die starr lächelnden Münder und wild klimpernden Augenlider anglotzte, daher fragte er: »Für die Indianer?«, nur um irgend etwas zu sagen.
    Sie nahm ihm die Last wieder ab und warf ihm einen Blick zu, der ihn erneut daran zweifeln ließ, ob sie wußte, wer er war, dann schob sie den Karton auf die Ladefläche und warf die Hecktür zu. »Natürlich«, antwortete sie, wandte sich ab und ging auf die Fahrertür zu, »für wen denn sonst?«
    Als nächstes traf er Lula.
    Die kannte ihn inzwischen natürlich, kannte ihn gut – er war ja mit ihrem Neffen Herbert befreundet und einer von Mr. Van Warts leitenden Angestellten. Und außerdem war er ein ganz spezieller Freund von Mardi. Lula empfing ihn an der Tür mit einem Lächeln, das alle Füllungen in ihrem Gebiß freilegte. »Sie sehn ja aus, als wärn Sie überfahren worden«, sagte sie.
    Walter grinste sie schief an und betrat die Vorhalle. Er sah erst nach oben, zur Tür zu Mardis Lasterhöhle, die am Ende der Treppe im Schatten verborgen lag, und dann nach links, wo die vertraute Düsternis des alten Salons von gedämpftem Sonnenlicht durchflutet wurde.
    »Mardi ist oben«, sagte Lula und sah ihn dabei durchtrieben an, »und Mr. Van Wart ist hinterm Haus – der bastelt irgendwas im Stall rum. Zu wem von den beiden wolln Sie denn?«
    Walter bemühte sich um Nonchalance, doch der Scotch bohrte ihm Löcher ins Gehirn, und seine Füße schienen sich soeben krank zu melden. Er tastete nach dem Geländer, um sich abzustützen. »Ich glaube, ich will zu Mardi«, sagte er.
    Erst jetzt fiel ihm auf, daß Lula ein Täschchen in der Hand hielt und daß auf ihrem taifunartigen

Weitere Kostenlose Bücher