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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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mit dem Kopf, wie um seine Niederlage zu bekennen, und zuckelte mit dem Einkaufswagen davon; sie sahen ihn unsicher den Gang entlangschlurfen, bis er bei den Gewürzen um die Ecke bog und verschwand.
    Jessica nahm es nicht auf die leichte Schulter. Sie tastete um sich wie eine Blinde, wischte sich mit dem feuchten Handgelenk die Augen ab und schoß ohne ein Wort auf den Ausgang zu. Als Tom, der seine Einkäufe zurückgelassen hatte und hinter ihr hergestürzt war, das Auto erreichte, schluchzte sie. Sie schluchzte, während er losfuhr, sie schluchzte, als sie sich den Seesack mit der noch feuchten Wäsche an die Brust drückte und von der Straße weg den steilen Pfad entlangstolperte, über die Weide und den Fußsteg und den Hügel zur Hütte hinauf. Sie schluchzte, während Tom den letzten Rest seiner Reisvorräte kochte und ein paar Zucchini aus dem Garten unter den Rapunzelsalat mischte, und sie schluchzte immer noch, als sie in der hereinbrechenden Dunkelheit einen einsamen Joint und zwei Marmeladengläser mit saurem Wein teilten.
    Bei Einbruch der Nacht hatte sich ihr anfallsartiges Jammern und Wimmern zu einem regelmäßigen, langen, ächzenden, weltmüden Seufzen abgeschwächt. Der Heilige der Wälder war gütig und sanft, linkisch und unbeholfen. Er spielte den Clown für sie, er witzelte, sie solle besser Salztabletten nehmen, um die lebenswichtigen Mineralien zu ersetzen, die sie streuerweise ausgeschieden habe, und er fiel sogar – teils absichtlich, teils aus Versehen – rücklings über das Geländer der Veranda in den großen Badezuber mit dem schmutzigen Spülwasser. Letzteres ließ sie die Lippen zu einem kläglichen Lächeln verziehen, und er setzte noch eins drauf, machte einen Handstand, balancierte einen Besen auf der Nase und noch vieles mehr. Sie lachte. Ihr Blick wurde wieder klar. Sie gingen ins Bett.
    In dieser Nacht schlief der hagere Heilige mit ihr, sanft und therapeutisch, und er war dabei so behutsam und zaghaft, als wäre es das erste Mal. Als sie eingeschlafen war, lag er im Dunkeln neben ihr und ließ die Ereignisse des Tages wieder und wieder in Gedanken vorbeiziehen. Bei der Erinnerung an seine Lügen und seine Feigheit, an die Rolle, in die ihn Walters unverhofftes Auftauchen gedrängt hatte, zuckte er zusammen, doch als er an Jessicas Verhalten dachte, bekam er es mit der Angst.
    Er streckte die Hand aus, um sie zu berühren, ihren Arm zu streicheln, als wollte er sich vergewissern, daß sie noch da war. Ihr untröstlicher Blick und der schmerzverzerrte Mund, die triefende Nase und die bebenden Schultern von vorhin machten ihm schwer zu schaffen. Sie gehörte nicht zu ihm, sondern zu Walter – warum würde sie sonst so reagieren?
    Traurig bis ins Mark, eifersüchtig und verunsichert, verletzt und voller Reue lag der Möchtegern-Heilige im Dunkeln. Sie gaben doch ein so großartiges Paar ab, er und Jessica – beide liebten Fische, den Hudson, Ziegen und Bienen und selbstgepreßten Apfelwein. Das taten sie. Natürlich taten sie das. Und als er an all die Dinge dachte, die sie gemeinsam hatten, fühlte er sich langsam besser. Sicher empfand sie noch etwas für Walter – schließlich hatten die zwei eine üble Sache durchgemacht –, aber für ihn empfand sie auch etwas. Er wußte es, und sie wußte es auch. Sie paßten zusammen. Sie waren füreinander geschaffen. Mit ihr erlebte er – das Wortspiel fuhr ihm durch den Kopf wie ein schmerzlinderndes Mittel, wie eine kalte Kompresse auf einer frischen Prellung – den Garten Eden.

EINE FRAGE
DES GLEICHGEWICHTS
    Kühl und methodisch, jede Kaufentscheidung gewissenhaft überdenkend, setzte Walter seinen zweimal wöchentlich stattfindenden Besuch im Supermarkt fort, als wäre nichts geschehen. Brauchte er neue Zahnseide oder nicht? Geröstete Erdnüsse? Lakritze? Zwiebeln? Er überlegte lange bei den Teigwaren – Linguine, Vermicelli oder Bandnudeln? –, klopfte an den Wassermelonen herum, entschied sich statt für das Echt Mexikanische TV-Dinner »Pancho Villa« (Enchilada mit Reis, Bohnen und grüner Soße, dazu einen Klecks Eiercreme) doch lieber für »I Ging« (Frühlingsrolle, gebratener Reis mit Schweinefleisch, Kanton-Strudel und ein Überraschungskeks). Ohne den Kopf zu heben und den Blick um die Ecken und durch die Gänge schweifen zu lassen, musterte er jeden Artikel, als hätte er so etwas noch nie gesehen, als böte ihm jede Packung Wunder dar, die an blutende Statuen oder Beweise für außerirdisches Leben

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