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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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eigenes) gegen ihn, so daß er in der unangenehmen Lage war, sich gegen sie stemmen zu müssen, um nicht rücklings in die Zwiebeln zu torkeln. Sie hatte entschieden und geradeheraus gesprochen, alle Emotionen weit von sich gewiesen, doch jetzt bebte ihre Unterlippe, und ihre Augen schimmerten feucht.
    Auf Walters Gesicht hatte sich anfangs der Schock des Wiedersehens abgezeichnet; als sie neben ihnen stand, hatte er sie mit schweren Lidern und schwachsinnigem Grinsen begrüßt, voller versöhnlicher Anklänge, und dabei offen, hoffnungsfroh, auf ehrlichste und naivste Weise erfreut ausgesehen. Jetzt, da er ihre Worte langsam verdaute, verhärteten sich seine Züge, jedes Gefühl schwand daraus, bis er schließlich die perfekte, undurchdringliche Maske des Ausgestoßenen trug, die kalten Augen und das steinerne Herz eines Mannes, der nichts mehr empfand. Er wollte etwas sagen, schluckte es aber hinunter.
    »Ist ja wirklich schon lange her«, lenkte Jessica ein. »Wir – also Tom und ich – haben oft an dich gedacht und überlegt, wie du wohl klarkommst« – an dieser Stelle blickte sie auf seine Füße – »und wir hätten dich vielleicht auch mal angerufen, ehrlich, aber ich wußte nicht so genau, ob dir das recht gewesen wäre, ich meine wegen damals im Krankenhaus und alldem ...« Sie ließ den Satz in der Luft hängen, weil ihre Stimme versagte.
    Walter sagte kein Wort. Tom konnte ihm nicht in die Augen sehen; er versuchte, an angenehme Dinge zu denken, an gute, an erdverbundene Dinge. Wie seine Ziege, seine Kohlköpfe, seine Bienen. »Du und Tom«, sagte Walter schließlich, als ob er die Wörter zum erstenmal ausprobierte; »du und Tom«, wiederholte er, diesmal klang es giftig.
    Tom spürte, wie sich Jessica neben ihm anspannte; sie verlagerte ihr Gewicht, und er mußte sich hastig am Einkaufswagen festhalten, um nicht die Balance zu verlieren. »Stimmt genau«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Tom und ich. Hast du was dagegen?«
    Ein Arrangement von »Love Me Do«, für Fahrradhupe und Chor, rieselte aus verborgenen Lautsprechern. Ein ältlicher Mann, der den Einkaufswagen mit dem massigen Bug seines Spitzbauchs vor sich herschob, bahnte sich einen Weg zwischen ihnen und begann, in den Zwiebeln zu wühlen, als suchte er nach Gold. »Hey, Ray!« blaffte der Geschäftsführer einen unsichtbaren Lagerburschen an, »setz dich mal ein bißchen in Bewegung, verstanden?«
    Toms Befürchtungen bewahrheiteten sich. Walter hatte etwas dagegen. Er zeigte dies zunächst nonverbal, indem er seinen Einkaufswagen mit beiden Händen packte und mit einem unverwundbaren Fuß dagegen stieß, daß das Drahtgestell zitterte, dann aber wurde er sarkastisch. Und rhetorisch. »Was dagegen?« höhnte er. »Wer, ich? Ich bin doch bloß dein Mann – warum soll ich denn was dagegen haben, daß du mit meinem besten Freund fickst?«
    Der Zwiebelwühler warf ihnen einen scharfen Blick zu. Tom kam sich wie ein Eindringling vor. Oder schlimmer noch: wie ein Lustmolch, wie eine Schlange im Gras, und er stellte sich Walters Hände an seiner Kehle vor, Walters Faust in seinem Gesicht, Walters sechsundachtzig Kilo (ohne Füße), die ihn gegen das Regal mit Sojafleisch und Reis schleuderten. Abrupt ließ Jessica ihn los, riß den Arm von seiner Hüfte und reckte markig den Mittelfinger. »Du hast mich verlassen«, sagte sie mit zusammengepreßten Zähnen, und dabei war jede Silbe von einem initialen Schluchzer gefärbt.
    »Du hast mich verlassen«, schlug Walter zurück. Groß wie Billardkugeln schossen seine vor Wut geweiteten Augen zwischen Jessica und Tom hin und her.
    Aus dem Augenwinkel sah Tom, wie der alte Zwiebelwühler die Hände in den Hüften aufstützte, als wollte er sagen: »Jetzt reicht’s aber!« Trotz aller Aufregung wirbelte der Heilige den Kopf herum und warf dem blöden Knacker seinen finstersten »Verpiß dich«-Blick zu (der allerdings nicht allzu finster ausfiel). Als er sich wieder Jessica zuwandte, trampelte sie auf dem Fußboden herum wie eine Flamencotänzerin, die langsam in Schwung kam. »Ich brauche mir das nicht anzuhören, diese, diese –« ihre Stimme überschlug sich mit einem rauhen Kreischlaut – »diese Scheiße!«
    Daraufhin trat Walter zurück und musterte sie alle – Tom, Jessica, den alten Mann mit der Tüte voll Zwiebeln und das halbe Dutzend Hausfrauen, die beim Rosenkohl stehengeblieben waren, um zu lauschen – mit einem Blick abgrundtiefer Verachtung. Dann nickte er fünfzehn-bis zwanzigmal

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