Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
prickelte, als wäre ein Schwarm winziger Tierchen mit haarigen Beinen unter der Haut eingefangen und versuchte sich verzweifelt zu befreien. Dann legte er krachend den Gang ein und fuhr mit einem Quietschen davon, das Mrs. Deering nie wieder vergessen sollte.
    Ehe er sich’s versah, war er auf der Van Wart Road. In westlicher Richtung. Und damit auf dem Weg zu diversen wichtigen Orientierungspunkten in seinem Leben. Tom Cranes Radkappe war einer davon. Van Wart Manor ein anderer. Und noch etwas lag dort vor ihm: die geheimnisvolle, inzwischen wieder aufgestellte und renovierte Gedenktafel, an der sein Leidensweg begonnen hatte.
    Und wohin wollte er eigentlich?
    Erst als er bei Cats’ Corners um Haaresbreite einen Kleinbus voller Teenager verfehlte, die ihm die Fäuste nachschüttelten, erst als er mit Mühe die tückische S-Kurve gleich dahinter meisterte und dann vor Tom Cranes Ulme das Tempo verlangsamte, um den Wagen, der dort am Straßenrand geparkt stand, mit Blicken zu durchbohren, wurde es ihm richtig bewußt: er fuhr zum Haus der Van Warts. Zu Mardi. Der MG kam zum Stehen, und Walter starrte trübselig auf die Radkappe, die ihn vom knorrigen Stamm der Ulme anlachte – Ja, ich bin zu Hause , schien sie zu höhnen, und sie auch –, bis ein Kombiwagen laut hupend auf der Überholspur an ihm vorbeidonnerte und ihn wieder zur Besinnung brachte. Er riß das Lenkrad herum und ließ die symbolische Radkappe abrupt hinter sich, erpicht auf Van Wart Manor und Mardis Tröstungen, doch kaum hatte er Gas gegeben – der Kies flog durch die Luft, die Reifen protestierten, Jessicas Käfer blieb hinter ihm zurück –, da tappte er wieder nach dem Bremspedal. Mit aller Macht. Verzweifelt.
    Dort vor ihm, über die ganze Straßenbreite und die Böschung verteilt, so weit sein Auge reichte, stand eine Ansammlung von Menschen. Ausflügler. Die Männer mit Hüten und ausgebeulten Jeans, Frauen in Hosenröcken, Sandalen und Söckchen, alle bepackt mit Picknickkörben, Kindern, Liegestühlen, Zeitungen zum Ausbreiten im Gras. Er hielt direkt auf sie zu, ihre panischen Schreie gellten ihm furchtbar in den Ohren, die Menschen sprangen beiseite wie umfallende Dominosteine, nur eine einzelne Frau – einen Stapel Flugblätter unter den Arm geklemmt, an der Hand ein kleines Kind – blieb wie angewurzelt auf der Fahrbahn stehen, und sein Fuß, dieser unfähige Fremdkörper von Fuß fand erst jetzt die Bremse. Er hörte einen Schrei, sah einen Blizzard von Papier, sein eigenes Gesicht und das seiner Mutter, dann waren sie weg, und er rang mit dem Lenkrad, weit drüben auf der anderen Straßenseite.
    Er hatte nicht darauf zugesteuert, hatte es nicht gewollt – er war betrunken, weggetreten, er halluzinierte –, doch da stand sie. Die Gedenktafel. Direkt vor ihm. Als er sie erreichte, fuhr er nicht mehr viel schneller als dreißig, kämpfte darum, nicht im Graben zu landen, gewaltige Staubwolken stoben hinter ihm auf – und das alles auf der falschen Straßenseite, verdammt! Jedenfalls prallte er dagegen, voll ins Schwarze, die Stoßstange des MG, wie der Bug eines Eisbrechers, wirbelte kryptische Cranes und unergründliche Mohonks durch die Luft, Metall knirschte auf Metall. Im nächsten Moment hatte er die Kontrolle wiedergewonnen und schleuderte auf die Fahrbahn zurück, gerade noch rechtzeitig, um die Einfahrt zwischen den Steinpfosten zu erwischen und die scharfe Kurve auf den langen, vornehm gewundenen Weg zum Haus der Van Warts zu nehmen.
    Hier herrschte Frieden. Die Welt war statisch, still und zeitlos, versunken im weichen Daunenbett von Privileg und Wohlstand. Hier gab es keine Trugbilder, keine Spuren vom Klassenkampf, von gierigen Einwanderern, Gewerkschaftlern, Arbeitern, Kommunisten und Unzufriedenen, keinerlei Hinweis darauf, daß sich die Welt im Laufe der letzten dreihundert Jahre verändert hatte. Walter betrachtete die mächtigen Ahornbäume, die von Plattenwegen unterbrochenen weiten Rasenflächen und die sanften Pastelltöne der Rosen vor dem saftigen Hintergrund des Waldes, und er fühlte, wie die Panik allmählich nachließ. Alles war in Ordnung. Wirklich. Er war bloß ein bißchen betrunken, sonst nichts.
    Als er um die gekrümmte Auffahrt bog und sich dem Haus selbst näherte, sah er drei Autos davor geparkt: den Mercedes von Dipe, Joannas Kombiwagen und Mardis Fiat. Er rangierte etwas unkonzentriert – beim Einlegen des Rückwärtsgangs nickte er beinahe ein dennoch schaffte er es, sich zwischen den Kombi

Weitere Kostenlose Bücher