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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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TANSANIA-SAFARI ZURÜCK. Die Tomate war noch warm von der Sonne im Garten. Er schnitt sie in dicke Scheiben, schälte sich eine große rote Zwiebel und durchstöberte den Kühlschrank nach Schinken, weißem Cheddar und Mayonnaise. RUSSEN MARSCHIEREN IN DIE TSCHECHOSLOWAKEI EIN. Die alten Dielen knarrten unter seinen Füßen, der Virginiaschinken und der scharfe Käse türmten sich auf einer Scheibe Roggenbrot; er schnitt die Zwiebel, strich Mayonnaise darauf und trug Teller und Zeitung zu dem Kirschholztisch hinüber, der seit über zweihundert Jahren im Familienbesitz war. GERICHTSURTEIL: HUNDELEINE NICHT VORGESCHRIEBEN. STREIK BEIM FAGNOLI-MÜLLABFUHRUNTERNEHMEN. Auf dem Tisch standen Salz und Pfeffer in Streuern aus Delfter Porzellan in Form von holländischen Holzschuhen. Er würzte die Tomatenscheiben aus beiden, und dann, nach einem Blick über die Schulter, fuhr er rasch mit der Hand in die Brusttasche, um eine Prise Dreck herauszuholen. Auf das Sandwich gestreut, war er kaum von den anderen Gewürzen zu unterscheiden.
    Er schlug die Zeitung mit verächtlichem Schnaufen auf. Die Schulkommission war ein Witz, für Muriel Mott hatte er noch nie viel übrig gehabt und im Grunde sogar gehofft, sie möge in irgendeiner sengenden Steppe von Hyänen zerrissen werden, der Fagnoli-Streik berührte ihn nicht, und frei laufende Hunde erschoß er ohne viel Aufhebens, wenn er sie auf seinem Grund antraf. Was die Russen anging, so hatte er immer schon die Meinung seines früheren Oberbefehlshabers General George S. Patton in dieser Frage geteilt. Doch weiter unten, am Ende der Seite, fiel ihm eine kleinere Überschrift ins Auge:
    EINWOHNER VON PETERSKILL
IM MORGENGRAUEN VERUNGLÜCKT
    Walter Truman Van Brunt, 22, wohnhaft 1777 Baron de Hirsch Road, Kitchawank Colony, wurde heute früh schwer verletzt, als er auf der Van Wart Road am östlichen Ortsrand von Peterskill die Kontrolle über sein Motorrad verlor. Neben einem Rippenbruch und Schürfwunden im Gesicht hatte dies für Van Brunt den Verlust des rechten Fußes zur Folge. Burleigh Strang, Inhaber der bekannten Düngemittelfirma, erreichte den Schauplatz des Verkehrsunfalls kurz nach der Tragödie. »Überall klebte Blut«, berichtete Strang, »und es war so neblig, daß ich ihn beinahe auch noch überfahren hätte.« Mit seiner Geistesgegenwart dürfte Strang das Leben Van Brunts gerettet haben, der nach Ansicht der Ärzte des Peterskill Community Hospital verblutet wäre, zwölf Personen anwesend. Dr. Rausch, der Schulinspektor, schnitt das Problem spezieller Garderoben für Mitglieder der Hockeymannschaft für Mädchen an ihn nicht umgehend auf der Ladefläche seines Lieferwagens gelegt und sogar noch daran gedacht, den abgetrennten Fuß mitzunehmen, dies in der Hoffnung, er könne wieder angenäht werden. Van Brunt steht derzeit unter intensiver medizinischer Beobachtung.
    Van Brunt. Truman Van Brunt. Den Namen hatte er jahrelang nicht mehr gehört. Jahrelang. Wie lange war das her? Fünfzehn, zwanzig Jahre? Er sah von der Zeitung auf, und dort in der Küche, über den Zwiebeln, dem Schinken und der Prise Ahnenstaub erschien plötzlich Trumans Gesicht, genau wie es damals 1949, in der Nacht der Unruhen, aufgetaucht war. Das dunkle, rötliche Haar schweißnaß und an der Stirn klebend wie eine Dornenkrone, getrocknetes Blut in den Mundwinkeln, die hellen, wäßrigblauen Augen – von der Farbe der Eisdecke auf dem winterlichen Fluß –, erstarrt vor Schreck. Ich komme meine dreißig Silberlinge holen, hatte er gesagt, und Joanna stand ebenfalls in der Tür, ihr Lächeln verwelkt wie eine abgeschnittene Blume. Sie war jung damals, ihre Beine waren glatt und fest, den Kimono hielt sie sich vor der Brust zusammen; Make-up brauchte sie keines. Wie bitte? fragte sie, und Depeyster sprang aus seinem Sessel auf. Fragen Sie doch ihn, sagte Truman, trat durch die Tür, um mit einem blutbefleckten Finger auf ihn zu zeigen, und dann war er weg.
    Depeyster schüttelte den Kopf, wie um das Bild loszuwerden, dann hob er das Sandwich an den Mund und wandte sich wieder dem Artikel zu. Truman Van Brunt, dachte er. Ein Pechvogel und Unruhestifter, sonst nichts. Und jetzt war sein Sohn – noch ein halbes Kind – für den Rest seines Lebens verstümmelt.
    Er las den Artikel ein zweites Mal, dann legte er das Sandwich auf den Tisch und hob die obere Weißbrotscheibe hoch. In der Mayonnaise, die durch den Kontakt mit der Tomate eine rosa Tönung angenommen hatte, klebten Zwiebelwürfel.

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