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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Urteil lautete wie folgt: »Wir verfügen, daß die Häftlinge auf eine Flechthürde gebunden zum Richtplatze geschleift werden sollen, um am Galgen gehenkt zu werden, und darauf soll man sie noch lebend wieder abnehmen und ihnen die Eingeweide als auch Geschlechtsteile aus dem Leib schneiden, welche vor ihren Augen zu verbrennen sind, sodann soll man sie enthaupten und vierteilen, worauf sie nach des Königs Gutdünken zu beseitigen sind.«
    Ob dem Urteil in allen Einzelheiten entsprochen wurde, ist nicht verzeichnet.
    Als der Alte geendet hatte, wurde es vor den Fenstern hell, zum zweitenmal seit Walters Ankunft in Barrow. Wie ein Wahnsinniger – unzweifelhaft, eindeutig und unbestreitbar wahnsinnig – hatte Truman besessen jedes winzigste Detail seiner Geschichte breitgetreten, prustend und wetternd, als verhandelte er selbst den Fall. Cadwallader Crane, Jeremy Mohonk. Jetzt wußte Walter alles. Endlich wußte er alles.
    »Weißt du, wie ›Wouter‹ auf englisch heißt?« fragte ihn Truman mit einem höhnischen Seitenblick.
    Walter zuckte die Achseln. Er war geschlagen. Lag am Boden und wurde ausgezählt.
    »›Walter‹ heißt es«, stieß der Alte hervor, als wäre es ein Fluch. »Ich habe meinen eigenen Sohn nach einem der größten Dreckschweine der Geschichte benannt – nach meinem Urahnen, Walter, nach deinem Urahnen –, und ich hatte keine Ahnung davon, bis ich als Erwachsener ins College gegangen bin, bis ich zu Professor Aaronson kam und ihm sagte, daß ich über Van Wartville und die illustre Sippe der Van Brunts schreiben wollte.« Er war aufgesprungen. Wanderte auf und ab. »Schicksal!« brüllte er plötzlich. »Verhängnis! Geschichte! Begreifst du nicht?«
    Walter begriff es nicht, wollte es nicht begreifen. »Das kann doch nicht dein Ernst sein«, sagte er. »Das ist also das große Geheimnis, deshalb hast du uns alle beschissen – wegen irgendeinem halbvergessenen Mist, der vor Hunderten von Jahren abgelaufen ist?« Er konnte es nicht fassen. Er tobte vor Wut. Er hatte Angst. »Du bist verrückt«, murmelte er und zitterte, die Gedenktafel ragte vor seinem inneren Auge auf – Cadwallader Crane, Jeremy Mohonk –, die blaßgrünen Wände des Krankenhauses schlossen sich um ihn, Huysterkark mit dem Kunststoffuß im Schoß ...
    Walter sprang vom Sessel auf, stopfte Sachen in seinen Koffer, zur Tür, zur Tür, dachte nur noch daran zu fliehen, zu entkommen, sich aus dem Alptraum freizukämpfen und noch einmal von vorn anzufangen, zu Hause in Peterskill, in Manhattan, auf den Fidschiinseln, irgendwo anders, ganz egal wo, überall, nur nicht hier ...
    »Wozu die Eile?« fragte Truman lachend. »Du willst doch nicht etwa schon gehen? Da fliegst du so weit, um deinen guten alten Dad zu besuchen, und dann bleibst du – was, zwei Tage?«
    »Du bist verrückt!« schrie Walter. »Bescheuert. Total gestört.« Er spie die Worte aus, ohne jede Beherrschung, klammerte sich an den Koffergriff. »Ich hasse dich«, sagte er. »Von mir aus kannst du verrecken«, sagte er.
    Er riß die Tür auf, und der Wind packte ihn bei der Kehle. In dem fahlen, blassen Licht sah er auf dem Nachbardach ein Rippenstück liegen. Sein Vater stand dort in den Schatten seines Lochs am Ende der Welt. Er grinste nicht, er spöttelte nicht. Klein wirkte er plötzlich, winzig, geschrumpft, verfallen, nicht größer als ein Zwerg. »Hat keinen Sinn, dagegen anzukämpfen«, sagte er.
    Der Wind blies stärker, die Hunde bellten wie toll.
    »Es liegt einem im Blut, Walter. Steckt in den Knochen.«

SEI GEGRÜSST, ARCADIA!
    Sie war zweiunddreißig Meter lang von der Heckreling bis zum geschnitzten Bugspriet, und ihr Großmast – der gewaltige Stamm einer Douglasfichte – ragte dreiunddreißig grandiose Meter über dem Deck empor. Wenn das Großsegel aufgezogen und der Klüver gesetzt war, wenn das Topsegel knatterte, dann bot sie dem Wind mehr Fläche als jedes andere Schiff an der Ostküste, über dreihundertsiebzig Quadratmeter Segel, und sie pflügte durch den Long Island Sound oder glitt auf dem Hudson entlang wie eine gigantische, schweigende Vision der Vergangenheit.
    Tom Crane liebte sie. Liebte sie rückhaltlos. Liebte sie bis zu den blankpolierten Klampen am Gangspill und den rußigen Bratpfannen, die über dem Holzofen in der Kombüse hingen. Irgendwie liebte er sogar die gesprungenen Plastikeimer, die unter den Holzbänken am Bug als Klos bereitstanden. Er schrubbte die Planken, während sie unter seinen Füßen stampfte,

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