World's End
Gesichter glänzten diabolisch – oder vielleicht nur im Rausch. Die Neuigkeit – die schockierende Nachricht von Herzlosigkeit und Willkür – verbreitete sich in dem kleinen Kreis so rasch, wie der Gin von einem zum anderen gereicht wurde. Tommy Sturdivant meinte, es sei eine verdammte Schande. Die Flammen züngelten. John Robideau stimmte ihm zu. Staats, der etwas direkter betroffen war, verfluchte den patroon und seinen heuchlerischen Sohn laut genug, um im Haus gehört zu werden. Wouter sekundierte seinem Bruder mit einem Wutschrei, wie er im Tal seit den Indianermassakern von 1645 nicht mehr erklungen war, und dann – niemand wußte später genau, wie es geschah, und Wouter am allerwenigsten – flog die Flasche aus seiner Hand, beschrieb eine graziöse Parabel durch den fallenden Schnee und zertrümmerte das Bleiglasfenster des Salons. Dem Klirren folgte sofort ein Kreischen im Haus, dann allgemeiner Aufruhr, aus dem Schreie des Entsetzens und der Verwirrung herausstachen.
Als erstes kam Pompey aus der Tür gestürzt, dicht gefolgt von dem jungen Rombout und dem englischen Stutzer, der Saskia den Hof gemacht hatte. Der Stutzer verlor auf den glitschigen Stufen die Balance und flog mit dem Überbiß voran in den Dreck, während Pompey, der das entrückte Funkeln in den Augen der kleinen Gruppe rings um das Feuer bemerkte, abrupt stehenblieb. Rombout aber, in Lederschuhen und Seidenhose, stürmte weiter voran. »Trunkenbolde!« kreischte er und verlangsamte seine Gangart so, daß es ein würdiges, wenn auch eiliges Schreiten hätte sein können, hätte nicht die Empörung seine Glieder zucken lassen. »Ich hab’s gewußt, ich hab’s ja gewußt«, explodierte er und stolzierte auf Wouter los. »Für euch ist wohl nichts gut genug, ihr ... ihr Gesindel? Und jetzt also das, häh? Na, ihr werdet dafür bezahlen, mit eurer verdammten Haut werdet ihr bezahlen!«
Rombout Van Wart war einundzwanzig und trug das Haar in Ringellöckchen. Für einen Bart war er nicht alt genug, und seine Stimme hatte einen hohlen, gurgelnden Beiklang, so als versuchte er, gleichzeitig zu sprechen und ein Glas Wasser zu trinken.
»Wir haben schon bezahlt«, sagte Wouter und machte eine weit ausladende Geste in Richtung von Holzschuppen, Keller, Hühnerhaus.
»Genau«, grölte Cadwallader, der plötzlich sein langes, bleiches Gesicht dazwischenschob, »und wir sind gekommen –« hier wurde er von heftigem Schluckauf unterbrochen und mußte sich erst kräftig aufs Brustbein klopfen, ehe er wieder Luft holen konnte, »– wir sind gekommen«, wiederholte er, »um dir und deinem Vater zu sagen, daß ihr uns am Arsch lecken könnt.« Und dann bückte er sich so gelassen, als pflückte er eine wilde Blume oder als verfolgte er die gewundene Bahn des Regenwurms, und hob einen faustgroßen Ziegelbrocken aus dem frischen Schnee. Im Aufrichten streckte er den schlaksigen Arm nach hinten, hielt kurz inne, um Rombout mit trunkener Kühnheit zu mustern, und dann schleuderte er den Ziegelstein ins Fenster des oberen Schlafzimmers.
Der englische Stutzer rappelte sich gerade wieder auf. Pompey hatte sich ins Dunkle verdrückt. Empörtes Geheul erhob sich im Schlafzimmer (mit gewisser Befriedigung hörte Wouter die wütende Stimme des alten Ter Dingas Bosyn heraus), und in der Tür tauchten jetzt die Gesichter der Frauen auf.
Alles hing in der Schwebe.
Welten. Generationen.
»Ihr, ihr –« stotterte Rombout. Sprachlos vor Wut hob er die Hand, wie um dem frechen Missetäter eins mit der Faust aufs Ohr zu geben, und Cadwallader wich vor dem befürchteten Hieb zurück. Nur kam dieser Hieb nie. Denn Jeremy Mohonk, in dessen Körper sich die wendige Gestalt seiner Vorfahren mit der muskulösen Holländerkraft der Van Brunts vereinte, versetzte ihm dicht über der linken Schläfe einen wuchtigen Kriegerschlag, der ihn ohnmächtig zu Boden gehen ließ. Von diesem Zeitpunkt an wußte keiner mehr genau, was eigentlich passierte (und wie), obwohl gewisse Ereignisse eher herausragten.
Da war zunächst Saskias Schrei. (Irgend jemand, irgendein weibliches Wesen schrie jedenfalls. Es hätte auch Vrouw van Bittervelt oder Rombouts junge Frau sein können, oder gar Vrouw Van Wart, jenes uralte und hinfällige Relikt. Irgendwie gefiel Wouter aber der Gedanke, es sei Saskias Schrei gewesen.) Und im Schutze dieses Schreis vollzog sich der weise Rückzug des Stutzers, dicht gefolgt vom eisigen Klirren des dritten und vierten Fensters. Dann war da noch das
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