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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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seiner Brust zum Crescendo emporbrausen und wieder verklingen spürte, zupfte er seinen Bruder am Ärmel und gab ihm den Auftrag, heimzugehen und sich um moeder zu kümmern. Dann bedeutete er Jeremy und Cadwallader, mit ihm zu fliehen.
    Sie verbargen sich in einer Höhle, keine halbe Meile vom Schauplatz des Verbrechens entfernt, und sie lebten auch wie Höhlenmenschen. Sie froren. Hungerten. Wurden eingeschneit. Aus Angst vor Entdeckung entfachten sie nur kärgliche Feuer, sie aßen Eicheln, kauten Wurzeln, fingen dann und wann ein Stinktier oder ein Eichhörnchen. Hilfe hätten sie vielleicht von Neeltje bekommen, doch der Zwerg hielt ständig Wache vor dem engen Schuppen bei Pieterses Kill, in den sie mit Staats und den Töchtern und mit Jeremys Frau und deren Kindern eingezogen war. Und sie mußten sich vor van den Post in acht nehmen. Der war unermüdlich – und dazu brannte er darauf, sich an Jeremy Mohonk zu rächen, der ihm schon einmal entwischt war. Er hatte einen indianischen Fährtenleser gedungen, der sie aufspüren sollte, einen wilden Mohawk, an dessen Gürtel Skalps baumelten und der Kehlen ebenso leichten Mutes durchschnitt, wie er sich zum Verrichten der Notdurft hinhockte oder zum Abendessen Kaninchen abhäutete. Ihnen blieb keine andere Wahl, als sich still zu verhalten.
    Jeremy starrte dumpf vor sich hin. Cadwallader kauerte tagaus, tagein wie eine Gottesanbeterin auf dem Boden und wimmerte. Und Wouter – Wouter fühlte sich allmählich wie an jenem gräßlichen Nachmittag, als er sich an den Pranger gestellt und den Querbalken über die eigenen Füße gesenkt hatte.
    Eines Nachts, als die anderen schliefen, schlich er aus der Höhle und kämpfte sich durch das stachlige Gestrüpp und den verharschten Schnee zum oberen Gutshaus. Er war restlos entkräftet, in seinen Lungen brannte die Kälte, und seine Kleider hingen in Fetzen. Das Haus lag im Dunkeln, der Hof war leer. Er sah die neu verglasten Fenster und an der Stelle, wo die alte Scheune gestanden hatte, eine Behelfskonstruktion ohne Anstrich und ohne Dach. Um den Galgen auf dem Hügel zu bemerken, war es zu dunkel.
    Als er an die Tür klopfte, dachte er an seinen Vater, dachte an den gefallenen Helden, an den Feigling, der seinen Sohn und auch sich selbst verraten hatte. Er klopfte noch einmal. Hörte Stimmen und Schritte von drinnen und sah seinen Vater vor sich, verrückt und gebrochen, tot im Stall unter der Kuh liegend. Rombout öffnete die Tür, in der einen Hand eine Kerze, in der anderen eine gespannte Pistole.
    »Ich möchte mich stellen«, sagte Wouter. Er fiel auf die Knie. »Ich bitte um Eure Gnade.«
    Rombout rief irgend etwas ins Haus hinein. Wouter bemerkte eine Bewegung im Hintergrund, das eilige Scharren von Schritten, und dann tauchte das blasse Gesicht der unerreichbaren Saskia aus den Schatten auf. Er senkte den Blick. »Es war der Halbindianer«, sagte er. »Er hat die Scheune angezündet, er ist es gewesen. Und Cadwallader auch. Sie haben mich zum Mitmachen gezwungen.«
    »Aufstehen«, gurgelte Rombout und trat mit der Waffe in der Hand einen Schritt zurück. »Reinkommen.«
    Wouter streckte die Hände aus, um zu zeigen, daß sie leer waren. Ein Windstoß zerrte an seinen Kleiderfetzen, als er aufstand. »Laßt mich leben«, flüsterte er, »dann führe ich Euch zu ihnen.«
    Die Hinrichtung fand am ersten Januar statt. Der Halbindianer Jeremy Mohonk führte nichts zu seiner Verteidigung an, als er dem ersten Lord des Freiguts vorgeführt und mit seinen Anklägern konfrontiert wurde, und der mitbeschuldigte Cadwallader Crane schien wirren Geistes zu sein. Niemand widersprach dem Zeugnis des Wouter Van Brunt.
    In seiner Weisheit, in seiner Milde und Nachsicht schlug der Gutsherr in dessen Fall die Anklage wegen Kapitalverbrechen nieder. Van Brunt wurde ausgepeitscht, auf der rechten Halsseite mit dem Brandmal des Gesetzlosen gezeichnet und für immer von den Ländereien der Van Warts verbannt. Nachdem er einige Jahre herumgezogen war, kehrte er zu seiner Mutter nach Pieterses Kill zurück. Er wurde Fischer, heiratete und hatte drei Söhne. Er starb, nach langer Krankheit, im Alter von dreiundsiebzig Jahren.
    Was Jeremy Mohonk und Cadwallader Crane anging, so waren sie des Hochverrats und der bewaffneten Auflehnung gegen die Amtsgewalt der Krone überführt (wobei der Ziegelstein für Stephanus’ Zwecke eine potentiell todbringende Waffe darstellte – todbringend jedenfalls für herrschaftliche Fensterscheiben). Das

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