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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Und zwar schnell. Wenn nicht bald Hilfe käme, dann würden einige von ihnen tot auf der Straße liegen, ehe die Nacht zu Ende war, daran zweifelte niemand.
    Zu diesem Zeitpunkt kam Truman zum Einsatz. Wie Hesh war er zwar vor fast vier Jahren aus dem Militär entlassen worden – aber im Gegensatz zu Hesh und den meisten anderen Veteranen hatte er sich nach dem Krieg die regelmäßigen Leibesübungen nicht abgewöhnt. Er hielt sich mit einem täglichen Programm von Gymnastik, Querfeldeinlauf und Gewichtheben in Form wie damals in seiner Zeit beim militärischen Abschirmdienst in England. Mit zweiunddreißig war er kaum weniger durchtrainiert als der achtzehnjährige Dynamo, der die Teams von Hendrick Hudson in zwei Sportarten zum Bezirkssieger gemacht hatte. Als Hesh klar wurde, daß jemand Hilfe holen mußte, gab es für ihn keine Frage: Truman war der Richtige dafür.
    Nachdem er seine Truppe instruiert hatte, um jeden Preis auszuhalten, hastete er die Straße zur Weide zurück, vorbei an den lächerlich wenigen Autos und Bussen der Konzertbesucher und in weitem Bogen um die Bühne, wo tausend Klappstühle unbesetzt herumstanden. Im Laufen sah er kurz Christina, die blaß und mit finsterer Miene am Tisch vor ihren Flugblättern saß, und die anderen Frauen, die sich vor der leeren Bühne in Grüppchen zusammengeschart hatten. Da und dort spielten Kinder, aber leise und mit Bewegungen, wie sie für ein Unterwasserballett hätten einstudiert sein können. Eine der überrannten Ordnerinnen – ein sechzehnjähriges Mädchen – kauerte allein unterhalb der Bühne, auf dem Kragen ihrer Bluse erblühte eine grellrote Nelke aus Blut.
    Als er Truman fand, lehnte der an einem Baum, von dem aus er die ganze Wiese bis zur Straße am anderen Ende des Grundstücks im Blick hatte. Piet war bei ihm, und sie besprachen sich mit gedämpfter Stimme wie zwei Militärstrategen beim Anblick eines Schlachtfelds – was den Verhältnissen recht nahe kam. Ihr Trupp hatte zwei der Patrioten auf der Wiese erwischt und sie vertrieben, ansonsten war alles ruhig. Hesh erläuterte die Lage und fragte Truman, ob er versuchen wolle, sich zu einem Telefon durchzuschlagen. Es sei gefährlich, und er würde Christina zurücklassen müssen, aber wenn er nicht durchkäme, dann sehe es so aus, als wäre das Schlimmste zu befürchten.
    Truman zuckte die Achseln. Klar, er wollte es versuchen.
    »Gut«, sagte Hesh. »Gut. Wenn die Polizei erfährt, daß wir telefoniert haben, wenn sie erfährt, daß wir die Zeitungen informiert haben, dann können sie nicht mehr anders – sie müssen uns raushelfen.«
    Truman starrte auf seine Schuhe. Er sah kurz zu Hesh auf, dann senkte er wieder den Blick. In der Ferne hörten sie das Gebrüll des Mobs. »In Ordnung«, sagte er. »Ich gehe. Aber Piet will ich mitnehmen.«
    Hesh musterte Piet. Sein Gesicht war ausdruckslos und bleich, und seine Ohren wirkten unnatürlich groß im Verhältnis zum Körper. Er konnte nicht viel größer sein als einsfünfundvierzig, und wenn er vierzig Kilo wog, dann mußte die Hälfte davon in den komischen altmodischen Schnallenstiefeln, die er immer anhatte, stecken. »Was soll’s«, murmelte Hesh. »Nimm ihn mit.« Piet hatte mit dem Ganzen ohnehin nichts zu tun – er war bloß aus Jux mitgekommen –, außerdem hätte er wohl nicht mal die Großmutter von einem der Hurrapatrioten zurückhalten können. »Bist du sicher, daß er dich nicht aufhält?«
    Truman antwortete, Piet könne schon auf sich selbst aufpassen, dann drehte er sich um und ging quer über die Wiese. Der kleine Kerl hielt im Laufschritt mit ihm mit und verschwand beinahe im hohen Gras. Das war das letzte, was Hesh – oder sonst jemand – in jener Nacht von ihnen sah.
    Lola machte eine Pause. Sie hatte noch eine Zigarette angezündet und sie verqualmen lassen. Die Kaffeetasse war leer. Als Walter die Geschichte zum erstenmal gehört hatte, hatte er sie an dieser Stelle unterbrochen, um zu fragen, was mit ihnen geschehen war; auch jetzt wollte er es wieder hören. »Was ist mit ihnen passiert?«
    Das wußte niemand genau. Es war, als hätten er und Piet sich einfach in Luft aufgelöst. Bei der Polizei oder den Zeitungen war kein Anruf verzeichnet worden. Als Hesh am nächsten Morgen an die im holländischen Stil bemalte Tür von Piets möbliertem Zimmer in Peterskill klopfte, antwortete niemand, und auf keinen der Verletzten in den umliegenden Krankenhäusern paßten die Beschreibungen. Hesh befürchtete, sie

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