World's End
Er wollte nichts über den zweiten Aufstand hören und darüber, wie die Autos und Busse entlang der ganzen Van Wart Road bis zur Schnellstraße mit Steinen beworfen wurden, wollte nichts wissen von der heimlichen Duldung durch die Polizei, von den johlenden Veteranen des ersten Aufstands und deren Armbinden mit der Aufschrift WACH AUF, AMERIKA! PETERSKILL IST SCHON WACH! All das war Geschichte. Er wollte nichts anderes hören, als daß sein Vater kein Verräter, kein Überläufer, kein Spitzel und keine miese Type war.
»Beim zweiten Konzert war es noch schlimmer, Walter«, sagte Lola, die jetzt von ihrer eigenen Erzählung mitgerissen war, vor sich im Aschenbecher eine neue Zigarette, aber Walter hörte ihr nicht mehr zu. Er entsann sich der Szene in der Küche des Bungalows, so wie er sich an einen lange zurückliegenden Alptraum erinnern würde, erinnerte sich daran, wie er sich an die Beine seines Vaters geklammert hatte, während seine Mutter schrie, erinnerte sich an Trumans Geruch, an seinen Schweißgestank, wie ein geiler Kater, an den süßen, verderbten Duft nach Alkohol. Nein! hatte seine Mutter gekreischt. Nein! Nein! Nein!
»Aber wir mußten es einfach tun, Walter – wir konnten ihnen das nicht durchgehen lassen. Wir mußten ihnen zeigen, daß das hier Amerika ist, daß wir sagen und denken und tun dürfen, was wir wollen. Zwanzigtausend sind gekommen, Walter. Zwanzigtausend!«
Abschaum. Sein Vater war Abschaum. Einer, der seine Freunde verraten und Frau und Kind im Stich gelassen hatte. Warum dagegen ankämpfen? Das dachte Walter gerade, als er vom Tisch aufblickte und seinen Vater neben dem Ofen stehen sah, eingerahmt von Lolas Kopf und dem starren, theatralischen Zeigefinger ihrer rechten Hand. Er sah aus wie neulich im Krankenhaus – ordentlich, in Anzug und Krawatte, das Haar frisch geschnitten und gekämmt, aber immer noch barfuß. Glaub es nicht , sagte Truman leise.
Lola sah und hörte ihn nicht. »Tiere, Walter. Sie waren wie die Tiere. Dreckiges Gesindel. Nazis.«
Gibt immer zwei Seiten, Walter , sagte sein Vater. Jede Geschichte hat zwei Seiten .
Plötzlich schnitt ihr Walter das Wort ab. »Ist gut, Lola. Danke. Ich habe genug gehört.« Er stieß sich vom Tisch hoch und kämpfte mit den Krücken. Draußen saßen die Vögel reglos in den Bäumen, und blaßgelbe Falter taumelten wie Konfetti durch Kathedralen aus Sonnenlicht. Truman war verschwunden. »Er muß einen Grund gehabt haben«, sagte Walter. »Mein Vater, meine ich. Niemand weiß, was wirklich passiert ist, oder? Du bist nicht mal dabeigewesen, und meine Mutter ist tot. Ich meine, niemand weiß es genau.«
Lola zog lang und tief an ihrer Zigarette, ehe sie antwortete. Ihr Blick war seltsam entrückt, ihre Gesichtszüge durch den Rauch verschleiert. »Geh doch und frag Van Wart«, sagte sie.
UNTER WILDEN
Sie lebte in einer Rindenhütte am Rand eines Dorfes der Weckquaesgeeks, von Buren und Rothäuten gleichermaßen geächtet, und sie hatte sich den Kopf mit einer Austernschale kahlgeschoren, zum Zeichen der Entsagung und der Buße. An jenem schicksalhaften Tag vor drei Jahren, als der Zorn Gottes die Eiche verschonte, nur um auf ihr Zuhause niederzufahren und ihre Familie auszulöschen, vergnügte sich Katrinchee, anstatt mit den anderen draußen auf dem Feld zu arbeiten und später, als der Blitz einschlug, bei ihnen in der Hütte zu kauern, an einem lauschigen Plätzchen mit Mohonk, dem Sohn des Sachoes, und einem Steinkrug voll Gin. Sie streichelte ihm über Brust, Schenkel und Lenden, so wie auch er sie streichelte, und sie trank Gin, um die Schuldgefühle zu lindern, die sie wegen des Todes ihres Vaters empfand. (O ja: diese Schuld verfolgte sie Tag und Nacht. Sie konnte keinen Suppentopf sehen, ohne an ihren Vater zu denken, und der Gedanke an Wild in jedweder Erscheinungsform war für sie so unerträglich, daß sogar ein im Wald aufgescheuchtes Reh ausreichte, sie schwindlig werden und ihr die Übelkeit im Hals aufsteigen zu lassen.) Als ein junger Kitchawanke in den Wigwam gestürzt kam, in dem sie Schutz vor dem Gewitter gesucht hatten, atemlos, mit rollenden Augen, die Zerstörung schildernd, die von den Himmeln geregnet war, stiegen die Schuldgefühle mit solcher Macht in ihr auf, daß sie fast erstickte. Moeder, keuchte sie, dann brach sie zusammen, als wären ihr die Beine weggeschossen worden. Wie sie so dalag in ihrer Benommenheit, verständnislos in die Gesichter von Mohonk, Wahwahtaysee und den wild
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