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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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seien ermordet worden, vom Mob totgeschlagen und in einen Wassergraben neben der Straße geworfen. Obwohl die Kopfschmerzen ihm wie ein Vorschlaghammer im Schädel dröhnten, obwohl er an den Unterarmen mit zehn Stichen und an der rechten Schläfe mit einem weiteren halben Dutzend genäht worden war, obwohl ihn der Streß und der Mangel an Schlaf völlig ausgelaugt hatten, war er am Morgen nach den Unruhen beim ersten Tageslicht unterwegs und durchstöberte die Büsche zu beiden Seiten der Van Wart Road. Er fand nichts. Zwar konnte er es damals nicht ahnen, aber es sollte fast fünfzehn Monate dauern, bis Lola und er Truman wieder zu Gesicht bekamen. Und Piet – Piet war endgültig verschwunden.
    Zwei Tage nach den Unruhen tauchte Truman im Bungalow hinter dem Haus der Rosenbergs auf. Mittlerweile war Christina mit den Nerven am Ende. Walter war drei Jahre alt. Er klammerte sich an die Knie seines Vaters und schrie: »Daddy, Daddy!«, aber Truman beachtete ihn nicht. Er grinste Christina schief an und begann, seine Sachen zu packen. »Wir haben geglaubt, du wärst tot«, sagte sie. »Was ist passiert? Was tust du da?« Er antwortete nicht. Packte einfach nur seine Koffer. Pullover, Unterwäsche, Bücher – seine kostbaren Bücher. Walter weinte. »Haben sie dich geprügelt, ist es deswegen?« schrie Christina. »Truman, sag doch was!«
    Ein Wagen stand vor dem Haus. Es war ein Buick, und so einen hatte damals Depeyster Van Wart. Auf dem Beifahrersitz, hinter dem Armaturenbrett kaum zu sehen, hockte Piet. »Tut mir leid«, sagte Truman, dann war er weg.
    Es war fast ein Jahr nach dem Begräbnis, als er wieder auftauchte. Unrasiert, betrunken, eine jämmerliche Gestalt, von der die Kleider herabhingen wie Bettlerlumpen, so stand er vor Lolas Tür und verlangte, seinen Sohn zu sehen. »Er wurde ausfallend, Walter«, sagte Lola. »Ein völlig anderer Mensch. Er hat mich beschimpft.« Das war nicht der Mann, den sie gekannt hatte – das war irgendein Wahnsinniger von einer Ecke des Times Square, ein Penner. Als Hesh aus dem Keller heraufkam, um nachzusehen, was los war, versuchte Truman, sich an ihm vorbeizudrängen, und Hesh schlug ihn, schlug ihn erst ins Gesicht und dann in den Magen. Truman ging zu Boden, kauerte auf Händen und Knien auf der Veranda und keuchte, daß ihm die Tränen in die Augen traten. Hesh knallte die Tür zu.
    Inzwischen waren alle davon überzeugt, daß Truman sie verraten hatte, daß er schon immer mit den »Patrioten« sympathisiert und seinen Freunden und seiner Familie auf brutalste und berechnendste Weise den Rücken gekehrt hatte. Rose Pollack, die an jenem Abend nicht bis zum Konzertgelände durchgekommen war, hatte ihn zusammen mit Depeyster Van Wart und LeClerc Outhouse auf der Straße stehen sehen, kurz bevor ein Verbrecher einen Ziegelstein durch ihre Windschutzscheibe warf, und an dem Tag, als er in der Colony aufgetaucht war, um Walters Mutter das Herz zu brechen und seine Bücher und Unterwäsche einzupacken, hatte Lorelee Shapiro ihn am Steuer von Van Warts Wagen gesehen. Jedenfalls sagte sie das. Lola wußte nicht, was sie denken sollte – und Hesh auch nicht. Sie hatten ihn gern gehabt, diesen fröhlichen Burschen, der immer lächelte, er war ihr Genosse und Freund gewesen, der Mann von Christina Alving, der Vater ihres Patensohns. Nach den Unruhen waren die Leute hysterisch – man suchte nach Sündenböcken. Lola – und Hesh auch, Hesh auch – hatte an ihn glauben wollen, aber der Augenschein sprach gegen ihn. Zum Beispiel die Art, wie er sich davongemacht hatte. Und dann war da auch die schreckliche, schicksalhafte Nacht während der Unruhen.
    Bei der Staatspolizei hatte Truman nie angerufen, bei der Times auch nicht. Und zwanzig Minuten, nachdem er über die Wiese losgegangen war, schwärmten aus derselben Richtung einhundert Patrioten grölend herein – ungehindert. »War das ein Zufall, Walter? Glaubst du das?« Jetzt stellte Lola die Fragen. Walter antwortete nicht.
    Es wurde dunkel, und auf der Straße hatte der Mob angefangen, Hesh und seine Mannen mit Steinen zu bewerfen – faustgroß oder größer, viele Hunderte von Steinen, die gegen die Seite des Lastwagens krachten, die Männer im Gesicht und im Unterleib, auf Brust und Beine trafen. Einer der Priesterseminaristen stürzte zu Boden, die Nase zu Brei zermalmt; der schwarze Docker, ein riesiger Kerl, der ein gutes Ziel abgab, blutete bereits aus einer Platzwunde am Kopf, als ihn eine Salve von Steinen in die

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