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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Knie gehen ließ.
    Die Patrioten waren jetzt noch zehn Meter entfernt und rückten immer näher. Ihre Arme schwangen vor, Steine prallten vom Wagen ab, kollerten über die Straße, trafen mit dumpfem, feuchtem Aufprall ihre Ziele. Ständig hörte Hesh dieses Geräusch, das klang wie ein Fleischerhammer auf einem Steak – klatsch, klatsch, klatsch –, und er wußte, daß sie am Ende waren. Er sah den Docker zu Boden sinken, dann wurde er selbst an beiden Beinen getroffen; im selben Moment streifte ein Stein seine Wange, und als er den Arm hob, um das Gesicht zu schützen, traf ihn eine Bierflasche in die Rippen. Es war lächerlich. Sinnlos. Der reinste Selbstmord. Er war kein Märtyrer. »Weg hier!« schrie er plötzlich. »Rennt weg, los!« Blutend und zerschlagen, mit zerfetzten Anzügen und Sporthemden zogen sich die Verteidiger zurück, liefen um den Lastwagen und hetzten Hals über Kopf den dunklen Weg entlang. Mit wildem Geschrei stürzten ihnen die Patrioten hinterher.
    Zunächst flüchteten Hesh und die anderen in heller Panik, ohne Ziel, jeder für sich. Doch das änderte sich, als sie das Konzertgelände erreichten. Die Wiese war hell erleuchtet – eine der Frauen hatte den Generator und die Bühnenlampen eingeschaltet, als es dunkel wurde –, und Hesh und seine benommenen Genossen mußten mitansehen, wie hundert Männer mit blutunterlaufenen Augen zwischen ihren Frauen und Kindern Amok liefen. Es war unerträglich. Ohne zu zögern – ohne auch nur das Tempo zu vermindern – schlossen sie sich wieder zusammen und warfen sich in keilförmiger Formation in den Kampf, schwangen Stöcke und Fäuste, wütend und wild und zum Sterben bereit. Unter der Wucht ihres Ansturms wichen die Patrioten zurück, und jene Frauen und Kinder, die sich auf der Wiese befanden, rannten zur Bühne hin, als wäre sie ein Rettungsboot in tosender See. Hesh und seine Männer rangen noch eine Weile mit ihren Gegnern und hasteten dann selbst auf die Bühne zu, als auch die Patrioten von der Straße auf sie losgingen. Da schleuderte eine unbekannte Hand die Flasche, die Hesh niederstreckte. Eben noch hatte er ein Kind auf die Bühne gehoben, im nächsten Augenblick lag er flach auf dem Boden.
    Hesh erfuhr nie, wie lange er bewußtlos gewesen war – eine halbe, eine dreiviertel Stunde? Aber als er aufwachte, war es pechschwarze Nacht. Das einzige Licht kam von einem Lagerfeuer vor der Bühne, und die Patrioten waren weg. Ihre Wut hatten sie an den Klappstühlen, den Flugblättern, den Tischen und der Verstärkeranlage ausgelassen. Einer hatte die Lampen zerschlagen, und dann hatten sie auf der Wiese gewütet: Stühle zertrümmert, Bücher und Flugzettel verbrannt, die Scheiben der Autos und Busse auf dem Parkplatz eingeworfen. Sie waren wie Indianer im Film, sagte Christina später. Wie Wilde. Kreischten und heulten wie Tiere. Sie zerstörten alles, was sie in die Finger bekamen, und dann, wie auf ein verabredetes Signal, verschwanden sie. Ein paar der Frauen waren im Getümmel verletzt worden, ein Dutzend anderer schrie hysterisch (darunter auch Christina, die weder Truman noch Hesh entdecken konnte und das Schlimmste fürchtete), und mehrere der Männer hatten gebrochene Knochen und Platzwunden, die genäht werden mußten, aber niemand war gelyncht worden, niemand war tot.
    Kurz nachdem Hesh wieder zu Bewußtsein gekommen war, näherten sich sechs Scheinwerferpaare oben auf der Schotterstraße, die von den Patrioten netterweise freigeräumt worden war, indem sie den Lastwagen ins Gebüsch gekippt und die Barriere auf der Van Wart Road teilweise beseitigt hatten. Fröstelnd und in Erwartung eines neuerlichen Verrats kauerten sich die Konzertbesucher auf der Bühne zusammen und sahen zu, wie die kalten Lichtkegel näherkamen. Dann wurden auf einmal die rotierenden Rotlichter auf den Streifenwagen eingeschaltet; und eine Frau rief: »Gott sei Dank, endlich sind sie da!«
    Den Rest wollte Walter nicht hören. Er wollte nicht hören, wie Lorelee Shapiro die Staatspolizei erreicht hatte, die von der Sache längst wußte, aber sich verdammt viel Zeit ließ, bis sie am Tatort erschien, oder wie seine Mutter einen Nervenzusammenbruch hatte, oder wie Lola mithalf, das zweite Konzert zu organisieren, das eine Woche später auf demselben blutgetränkten Gelände abgehalten wurde. Bei diesem Konzert traten tatsächlich Paul Robeson und Will Connell auf, vor 20000 Zuhörern, und es gab keinerlei Probleme – bis das Publikum nach Hause wollte.

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