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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und her wie der Haarschweif über einem Pferdearsch, dann begrüßte er Hector mit dem Händedruck der Freiheitskämpfer und zerrte die beiden an ihren Tisch. Walter begrüßte Hector, nickte Mardi kurz zu, und sein Stoß ging daneben.
    Später, nach ein paar Glas Bier, noch mehr Pool, unzähligen Gängen über die riesige Fläche schmutzigen Sägemehls, das den Boden wie Knochenmehl bedeckte – zum Pinkeln in den stinkenden Klos und um heimlich einen Zug von irgend etwas zu nehmen, das Hector gerade in den Kopf seiner Pfeife gestopft hatte –, fühlten sich alle ziemlich gut drauf. Jessica stand vom Tisch auf und entschuldigte sich. »Für Damen«, lallte sie und schleppte sich durch den Raum wie eine Schwerverwundete.
    Tom war verschwunden, und Hector stand an der Bar und bestellte eine Runde Tequila. Der Tisch, der plötzlich sehr klein schien, war übersät mit Erdnußschalen, Asche, Kippen, Tellern, Flaschen und Gläsern. Walter legte ein vorsichtiges, schmales Lächeln auf seine Lippen. Mardi lächelte zurück. Und dann, wie aus dem Nichts, fragte sie Walter, ob es ihm immer noch ernst sei mit den Geisterschiffen – wenn ja, würde sie ihn demnächst mal anrufen, ganz einfach. Walter gab keine Antwort. Statt dessen stellte er selbst eine Frage. »Was sollte das eigentlich neulich bei der Hochzeit?« fragte er und bemühte sich um eine ruhige Sprechweise. »Du weißt schon. Wegen meinem Fuß. Das fand ich nicht so gut.«
    Sie schwieg einen Moment lang, dann schenkte sie ihm ein Lächeln, das die Polkappen geschmolzen hätte. »Nimm das doch nicht so ernst, Walter«, sagte sie und starrte in ihr Glas. »Ich schockiere eben gerne Leute, das ist alles – um zu sehen, wie sie reagieren. Weißt schon: épater les bourgeois.« Walter wußte nichts. In Französisch war er durchgefallen.
    Sie sah ihn an und lachte. »Komm schon, das war doch bloß ein Witz. Ich bin gar nicht so wild unterwegs, wie ich tue. Wirklich nicht.« Und dann beugte sie sich vor. »Nur eins will ich wissen: kommst du mit oder nicht?«
    Deshalb war er jetzt am Hafen, eingezwängt zwischen Spieren und Falleinen und Ankerketten, atmete den vertrauten Geruch des Geistes seines Großvaters ein und stand wieder einmal mit dem Rücken an der Wand. »Das glaube ich einfach nicht«, sagte Mardi, und ihre Miene verlor einen Moment lang jeden Ausdruck. »Hast du etwa Angst vor dem bißchen Gischt?« Walter zuckte die Achseln, wie um zu sagen, daß ihm gar nichts angst mache – weder Kälte noch Hagel, noch bösartige Schatten, die im Morgengrauen über menschenleere Straßen huschten. »Gut«, sagte sie und grinste ihn so breit an, daß er ihre Backenzähne golden aufblitzen sah, und dann folgte er ihr durch die aufgebockten Boote zum Pier und den Hellingen an dessen Ende.
    Nur zwei Schiffe waren im Wasser. Die Catherine Depeyster, eine zehn Meter lange Schaluppe mit Hilfsmotor und auf Hochglanz polierten Holzteilen, war an der verlassenen Kaimauer vertäut. Das andere Schiff, ein undefinierbares Ding mit breitem Kiel, abblätternder Farbe, gebrochenem Mast und mit Spuren von Trockenfäule über der Wasserlinie, lag dahinter vor Anker und sah aus, als wäre es vergangene Woche vom Grund des Flusses geborgen worden. Walter wollte eben nach Mardi an Bord der Catherine Depeyster gehen – sie stöberte bereits im Bootsschrank nach den Regenhäuten –, da sah er das Rauchwölkchen über dem Schornstein des verkommenen Wracks. Zuerst traute er seinen Augen nicht. Aber es stieg, unzweifelhaft, aus dem rußgeschwärzten Rohr eine dünne Rauchsäule auf. Er faßte es nicht. Jemand lebte tatsächlich auf diesem Ding da drüben, irgendeine wahnsinnige Wasserratte, die eines Morgens beim Aufwachen feststellen würde, daß sie sich vier Meter unter der Wasseroberfläche befand. Es mußte eine Sinnestäuschung sein. Aber nein, jetzt qualmte der Schornstein stetig, der Rauch wurde vom Wind niedergedrückt und zu ihm herübergeweht, ein satter, speicheltreibender Duft nach gebratenem Speck lag darin. »Mann«, sagte er zu Mardi, »ich glaub’s einfach nicht.«
    »Was glaubst du nicht?« sagte sie und reichte ihm einen schwarzen Südwester, als er an Bord kam.
    »Da drüben. Dieses kaputte Wrack, dieses schwimmende Stück Schrott. Da wohnt jemand drauf.«
    »Ach, du meinst Jeremy«, sagte sie.
    Die Kälte stach ihm in den Ohren. Sein Blick wanderte von dem abgetakelten Wrack zu Mardi und wieder zurück. Der Wind drehte das Schiff langsam um seinen Anker und brachte

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