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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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mehr, und jedesmal wenn er versuchte, den Joint wieder anzuzünden, den er eisern zwischen Daumen und Zeigefinger festhielt, blies eine heftige Bö das Streichholz aus. Dreimal hintereinander. Schließlich gab er auf und schnippte das Ding ins Wasser. Es war kaum zu fassen. Ende Oktober, Halloween, und kalt wie im Dezember.
    Walter stellte den Kragen seiner Jeansjacke auf und beobachtete ein Entenpaar, das sich im Windschatten der Bootsrampe zusammenkauerte. Ringsherum, auf Anhängern, auf Zementblöcken, aufgebockt auf rissige Betonstützen, als erwarteten sie eine zweite Sintflut, standen Boote. Schoner und Schaluppen, Brigantinen und Kajütboote, Jollen und Yachten und Katamarane. Und dann die Boote, die nie wieder das Wasser sehen würden, uralte Rümpfe, bis zur letzten Schraube durchgerostet, verfault wie Aussätzige, zersplittert und gebleicht und auf den Kielen kippend, als hätte ein Hurrikan sie an Land geschleudert. Das war der Bootshafen von Peterskill. Drei Blocks weiter kam Depeyster Manufacturing und gleich hinter den Eisenbahngleisen lagen der verdreckte Bahnhof und die verlassenen Fabriken, deren Ziegel so alt waren, daß sie die Farbe von Schlamm angenommen hatten. Walter stand da, um zwei Uhr nachmittags, an Halloween, und wartete auf Mardi. Ist doch echt angemessen, oder? hatte sie am Telefon gesagt. Ich meine, an Halloween zu den Geisterschiffen rauszufahren. Toll, was?
    Toll. Dieses Wort hatte sie verwendet. Walter spuckte ins Wasser und warf dann einen suchenden Blick über die Schulter. Ein halbes Dutzend Autos stand auf dem Parkplatz, aber keins von ihnen schien Mardi zu beherbergen. Es war schon komisch. Da wollte er mit ihr aufs Wasser hinaus, bei dieser Grabeskälte, und er wußte nicht einmal, was für einen Wagen sie fuhr. Er sah über den Parkplatz hinweg auf die Schlange der rostigen Güterwaggons, die sich aus dem Bahnhof hinaus und um eine Kurve bis zur Mündung des Van Wart Creek erstreckte, und dann hinauf zu den Hügeln von Peterskill, einer Ansammlung von Dächern zwischen den großen, bergan strebenden Bäumen. Im Vordergrund, winzig im Windschatten irgendeines ozeantüchtigen Monstrums mit funkelnder Reling und Vorhängen in den Fenstern, stand sein Motorrad, frisch lackiert, mit neuer Fußraste und neuem Gashebel. Der Helm, den ihm Jessica geschenkt hatte, klemmte am Lenker, und selbst auf diese Entfernung waren die stumpfen Flecken zu erkennen, wo er mit dem Taschenmesser die Gänseblümchen-Aufkleber heruntergekratzt hatte.
    Das hatte ihr nicht gefallen, diese Verunstaltung seines Geburtstagsgeschenks, aber er hatte ihr erklärt, daß Aufkleber mit Gänseblümchen einfach nicht zu seinem Image paßten. Er sei kein Blumenkind – er sei härter, kälter, immer noch der Nihilist und existentialistische Held. Dann grinste er, als hätte er bloß einen Scherz gemacht, und sie grinste zurück.
    Jessica. Sie war jetzt arbeiten. Seine Frau, die ihm zuliebe auf die meeresbiologischen Fakultäten von Scripps, Miami, New York und Mayaguez verzichtet hatte, saß an ihrem Arbeitsplatz, wo sie in Formalin konservierte Fischlarven zählte. Die Stelle hatte ihr Tom Crane besorgt. Drüben im Atomkraftwerk, dessen Schlote und Kühltürme am nahen Ufer emporragten wie die Minarette und Kuppeln einer fantastischen High-Tech-Moschee. Das Larvenzählen war Teil einer Umweltbelastungs-Studie, finanziert von der Elektrizitätsgesellschaft Con Ed, die auf diese Weise dafür Buße tat, daß sie mit ihren Ansaugstutzen ständig gewaltige Berge von stinkendem Fisch aufsaugte. Ein früherer Bio-Kommilitone hatte Tom den Job vermittelt, zweimal pro Woche das Boot für das Projekt zu steuern, und als die Stelle im Labor frei wurde, hatte Tom an Jessica gedacht. Und jetzt saß sie da drüben. Atmete Formalin ein, von den Dämpfen tränten ihre Augen.
    Walter selbst war arbeitslos. Nicht daß er nicht arbeiten wollte – irgendwann, vielleicht, wenn sich was Gutes auftat. Nur konnte er sich nicht vorstellen, den ganzen Tag an einer öligen, heulenden Drehbank zu stehen und diese kleinen geflügelten Maschinenteile zu produzieren, die, soweit er wußte, zu nichts auf der Welt nütze waren (höchstens, so ging das Gerücht, für Splitterbomben, um in Orten mit Namen wie Dak Fu oder Bu Wop kleine Kinder zu zerfetzen). Jedenfalls sagte er das zu Hesh und Lola. Allerdings verschwieg er ihnen, daß Van Wart ihm einen Schreibtischjob angeboten hatte. Gleich morgen. Ohne Bedingungen.
    Ich mag Sie, wissen Sie?

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