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Worldshaker

Worldshaker

Titel: Worldshaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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bleistiftdünn gezwirbelten Schnurrbart. »Aber sicher doch, gnädige Frau.«
    Seine Hände bewegten sich äußerst respektvoll, als er Col das Maßband erst um die Schultern, dann um die Hüfte und schließlich ans Bein legte. Quinnea wandte den Blick ab.
    »Nicht später als Sonntag«, sagte sie.
    »Ich werde sie persönlich spätestens am Samstagabend vorbeibringen.« Er verbeugte sich, als er ihr den Bezugsschein zur Unterschrift vorlegte.
    »Was für ein gewöhnlicher Mensch!«, bemerkte sie hinterher. »Die Manieren in der Handwerkerklasse lassen doch arg zu wünschen übrig.«
    Sie bestand darauf, Col zu seiner Kabine zurückzubegleiten. Wie eine Mutter, die im Begriff war, ihren geliebten Sohn für immer zu verlieren.
    »Ich muss mir dein liebes kleines Zimmer noch einmal ansehen«, sagte sie. »Wer weiß, wie oft ich es noch zu sehen bekomme?«
    Missy Jip blieb draußen auf dem Gang stehen, während Quinnea das Zimmer betrat. Von ihrem Ausflug und den vielen Treppen war sie ganz außer Atem.
    »Was denn, kein Stuhl? Dann werde ich mich auf die Bettkante setzen. Ich fühle mich etwas unpässlich.«
    Sie hockte sich auf die Bettkante und strich ihr Haar zurecht.
    »Ach, Colbert, Colbert«, murmelte sie. »Wenn ich denke, dass du bald eine Schuluniform tragen wirst. Dabei kommt es mir vor, als hätte ich dir gestern noch deine Babysachen angezogen.«
    Soweit Col sich erinnern konnte, hatte ihn immer Missy Jip oder ein anderer Gesindling angezogen. Aber vielleicht meinte sie die Zeit, als er noch sehr, sehr klein war …
    »Ich habe Angst um dich, wenn du jetzt in die Welt hinausgehst«, fuhr sie fort. »Erwachsen werden, ein Mann sein … das ist alles ein bisschen viel auf einmal für mich.«
    »Ich hoffe, du wirst stolz auf mich sein, Mutter.«
    »Oh, ganz gewiss. Furchtbar stolz. Aber so ein Mutterherz, und wie sich eine Mutter sorgt … und die Panikattacken einer Mutter –«
    »Erst einmal muss ich die Schule hinter mich bringen.«
    »Ach, Schule , Colbert! Weißt du überhaupt, wie viele andere Kinder da sind? Hunderte! Hunderte ! Jungen und Mädchen!«
    »Was für eine Schule ist das denn, Mutter?«
    »Dr. Blessamys Akademie natürlich. Die einzige Schule, die für Kinder aus den Elite-Familien in Frage kommt. Wobei wir natürlich die allererste der Elite-Familien sind. Wer wird denn da auf dich aufpassen?«
    »Ich kann selbst auf mich aufpassen.«
    »Oh, die anderen können so grob sein, Colbert. Und wild! Und treiben irgendwelche Spiele während der Pause! Laufen herum! Schreien herum! Ich habe es selbst erlebt!«
    Sie stand kurz vor einem hysterischen Anfall. Ihre Hände zitterten, und sie riss so heftig an ihren Haaren, dass einer der Kämme herausfiel und das Haar in losen Strähnen herabhing.
    »Man musste mich nämlich von der Schule nehmen. Ich konnte die Kreide nicht ertragen. Und all die Pulte … und die Bleistifte –«
    Col bückte sich, um den Kamm aufzuheben. Er wollte gerade sagen, dass ihm Kreide, Pulte und Bleistifte eigentlich nichts ausmachten, doch stattdessen schnappte er laut nach Luft.
    Quinnea sprang auf und keuchte zehnmal lauter. »O je, o jemine! Was hast du?«
    Col richtete sich auf, den Kamm in der Hand. »Nichts. Gar nichts.«
    »Sind es meine Füße? Sind es meine Knöchel?«
    »Nein, Mutter. Alles bestens. Alles in Ordnung.«
    Er versuchte, ruhig zu wirken und zwang sich wegzuschauen. Aber aus dem Augenwinkel konnte er immer noch das Gesicht der Dreckigen sehen, die unter seinem Bett lag und ihn beäugte. Ein Grausen fasste ihn. Dies war ein fleischgewordener Albtraum.
    Er hielt seiner Mutter den Kamm hin, die ihn nahm, aber nichts damit anzufangen wusste. Sie rückte ihr Kleid über den Knien zurecht und hielt ihre Füße und Knöchel eng beieinander.
    »Ach, mein armer Kopf! Ich empfinde einfach zu intensiv. Starke Gefühle tun mir nicht gut. Ich bin völlig aus dem Häuschen. Sieh mich nur an!«
    Col wusste nicht, was er tun sollte. »Willst du dein Riechsalz?«
    »Nein. Ja. Nein. Ja. Nein.« Quinnea konnte sich nicht entscheiden. Ihre Hände waren fahrig, die Knie zitterten.
    Die Dreckige unter dem Bett lugte hinter den Beinen seiner Mutter hervor. Sie grinste ihn an!
    »Du musst müde sein«, sagte Col. »Du solltest zurückgehen in deine Gemächer, dich hinlegen und dich richtig ausruhen.«
    Die Dreckige zog eine Grimasse und gähnte. Ihm kochte das Blut. Sie verspottete ihn!
    Wie aus weiter Ferne hörte er seine Mutter seufzen und »Ach, Colbert!« sagen, immer

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