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Worldshaker

Worldshaker

Titel: Worldshaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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Nenne mir den wichtigsten griechischen Philosophen vor Plato.«
    »Äh … Sokrates?«
    »Korrekt. Buchstabiere Philologie «.
    Bei Professor Twillip begann der Unterricht jedes Mal mit einer Salve solch kurzer knapper Fragen. Der Professor war ein dicklicher kleiner Mann, dessen rosa Gesicht strahlte wie ein Leuchtturm. Obwohl er schon in die Jahre gekommen war, sah seine Haut faltenlos wie die eines Jungen aus, dafür war sein dichtes Haar schlohweiß. Mit der Begeisterung des echten Gelehrten konnte er ständig für neue Themen entflammen – sein neuestes war die Philologie.
    Col schüttelte den Kopf: Er war nicht zum Unterricht gekommen.
    »Ach ja. Richtig, stimmt ja.« Professor Twillip rückte die Brille zurecht. »Ich verfalle in alte Gewohnheiten. Kein Unterricht mehr. Du kommst jetzt in die Schule, und danach geht’s noch um einiges weiter nach oben, nach dem, was ich so gehört habe. Bravo, Colbert.« Er lächelte das Lächeln eines Mannes, der nie etwas sagt, was er nicht auch meint.
    »Was werden Sie denn machen, wenn Sie niemanden mehr haben, dem Sie Unterricht erteilen können?«, fragte Col.
    »Ach, ich denke, daran werde ich mich gewöhnen.« Mit einer allumfassenden Geste deutete Professor Twillip auf die Bibliothek. »Es gibt noch so viele Bücher zu lesen. Ich bin nicht einmal mit den griechischen Philosophen durch. Dann wären da noch die Rationalisten und die Empiristen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Und schließlich die Ära des Empire und die modernen Paternalisten.«
    Das war Cols Stichwort. »Wer hat nochmal gesagt: Aufgabe des Kopfes ist es, Entscheidungen für den Körper zu treffen? «
    »Das war Fenwick, einer der Hauptvertreter des Paternalismus. In Die Rangfolge beim Menschen, 1872.«
    »Weil der Körper nicht intelligent genug ist, für sich selbst zu entscheiden?«
    »Richtig. Wohingegen der Kopf der Sitz des Verstandes, der Logik und der Sprache ist.«
    »Sprache?« Col runzelte die Stirn. »Dann können also die Dreckigen und die Gesindlinge nicht sprechen?«
    Wenn die unverblümte Erwähnung der Dreckigen den Professor auch überraschte, so hatte er sich doch schnell wieder gefasst.
    »Nun, Gesindlinge können verstehen, aber nicht sprechen. Was die Dreckigen angeht … weißt du, darüber habe ich eigentlich nie so recht nachgedacht.«
    »Was geschieht bei der Erziehung?«
    »Erziehung?«
    »Ja, wenn aus Dreckigen Gesindlinge gemacht werden.«
    »O je. Du kennst mich doch, Colbert, ganz der Gelehrte. Ich fürchte, von solchen praktischen Dingen verstehe ich herzlich wenig.« Professor Twillip überflog rasch die Regale. »Wo könnte ich das wohl nachgucken? Über so etwas werden eigentlich keine Bücher geschrieben.«
    »Das sollten sie aber«, sagte Col.
    »Warum willst du das denn wissen?« Der Professor schob die Brille auf seine Stirn und sah Col an. »Ach, ich glaube, ich weiß, warum. Du wirst dich ja sehr bald mit solchen Angelegenheiten befassen müssen, nicht? Vielleicht wirst du es mir ja dann erklären können.«
    Col wurde klar, dass sich ihre Beziehung zueinander verändert hatte. Er hatte immer zu Professor Twillip aufgeblickt, aber jetzt schien sein Lehrer zu ihm aufzublicken.
    »Unsere Unterrichtsstunden werden mir fehlen«, sagte er plötzlich.
    »Mir auch, Colbert, mir auch. Du warst immer ein ausgezeichneter Schüler und hast viel dafür getan. Aber es ist gut, dass du weiterkommst. In deinem Innersten bist du eher ein Macher als ein Denker.«
    »Ich wünschte, ich könnte so ein guter Mensch sein wie Sie, Professor Twillip.«
    »Ach, Colbert, in der Theorie ist es nicht weiter schwer gut zu sein. Aber selbst etwas Gutes zu bewirken, ist da schon um einiges schwieriger. Und deswegen wird es für die Welt von Bedeutung sein, dass es dich gibt. Ich setze großes Vertrauen in dich.«
    Er legte die Fingerspitzen aneinander, sah Col gerade in die Augen und lächelte. Wenn du bloß wüsstest, was ich gemacht habe, hätte ihm Col zurufen mögen.
    Stattdessen sagte er: »Wahrheitsliebe ist die größte aller Tugenden. Das haben Sie mir beigebracht.«
    »Ja, Colbert, und ich bin sicher, dass du danach leben wirst. Der einzige Grund, warum wir an der Spitze der Rangordnung in der Natur stehen, ist, weil wir die Wahrheit sagen. Niedere Lebewesen haben nicht den gleichen Instinkt für Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit wie wir, sagt Fenwick. Oder war es doch Carrington?«
    Col kam es vor, als wären seine Augen ein Schutzschirm geworden, hinter dem er denken

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