Worldshaker
hatte tatsächlich Angst. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Alles, was er tat, war falsch und verboten. Er betete, dass es so bald wie möglich vorüber wäre.
Die Beleuchtung war bereits auf Nachtbetrieb heruntergefahren, und die Korridore und Aufgänge waren meist menschenleer. Jedes Mal, wenn er Schritte kommen hörte, hielt er an und wartete, bis sie vorbei waren. Riff bekam er nie zu sehen, selbst wenn er sich umblickte, aber ab und zu hörte er ein leises Pfeifen. Das wertete er als Signal, dass sie ihm immer noch folgte.
Er überlegte, was er wohl sagen würde, wenn ihn ein Wachmann zur Rede stellen sollte. Vielleicht dass er gestern auf dem Weg zum Orlopdeck etwas Wertvolles verloren hätte und es jetzt suchte. Ja. Das sollte genügen. Interessant – ihm war vorher nie klar gewesen, wie einfach es war, sich eine Lüge auszudenken. Glücklicherweise traf er aber auf niemanden.
Auf den unteren Decks tat sich schon einiges mehr. Unter dem Kommando eines Aufsehers verrichteten Gruppen von Gesindlingen irgendwelche Arbeiten. Nur gut, dass der Aufseher zu viel zu tun hatte, um ihn auch nur eines zweiten Blickes zu würdigen. Und weiter ging es, über die Decks mit den Großküchen und Wäschereien.
Auf Deck 6 gelangte er zu den Friedhofs-Räumen. Er folgte noch immer Drummels Route, vorbei an den unverglasten Fensteröffnungen.
Plötzlich war Riff an seiner Seite. »Uah, mir gefällt’s hier gar nicht. Was sind ’n das für Räume?«
Er wollte sie gerade wieder wegschicken, als er sah, dass sie zitterte. Jetzt hatte also auch sie Angst.
»Die Friedhofs-Räume. Unter den Grabsteinen da sind Menschen beerdigt.«
Sie weigerte sich, zu gucken, wo er hinzeigte. »Da drinnen sind Geister.«
»Geister!« Col lachte. Er hatte fast schon vergessen, dass sie eine unwissende Dreckige war. »Niemand glaubt mehr an Geister.«
»Ich schon. Lässte mich ein Stück neben dir gehen?«
Sie fragte so bescheiden, dass er nicht nein sagen mochte. »Okay.«
Im Vorbeigehen guckte er durch die Fensteröffnungen. Die Steinplatten im Dunkel waren in ein fahles Licht getaucht, das vom Korridor her durchsickerte. Riff schauderte und hielt sich dicht bei ihm.
Sie näherten sich der Treppe zum nächst tieferen Deck, als Col innehielt. Von unten kam jemand herauf, mit einer weißen Offiziersmütze und einer Jacke mit Epauletten.
Sie drehten um und liefen den Gang zurück. Aber dort gab es keine Ecken und Winkel oder Seitengänge zum Verstecken. Noch einen Moment und der Mann würde das Ende der Treppe erreichen und Riff sehen – und Col neben ihr!
Col handelte für sie beide. Er wandte sich zur erstbesten Fensteröffnung und sprang über das Sims hinein. Riff hatte keine Wahl als ihm zu folgen. Sie landeten Seite an Seite auf der nackten weichen Erde.
Aber hier würde sie der Offizier immer noch sehen können. Also kroch Col weiter ins Innere des Raums weg vom Licht. Riff stöhnte leise und folgte ihm.
Die Schritte des Offiziers kamen den Gang herunter, immer lauter. Col duckte sich hinter eine der Steinplatten, Riff hinter eine andere.
»Mmph!« Im denkbar ungünstigsten Moment entwich ihr ein ängstliches Stöhnen.
Der Offizier räusperte sich, und die Schritte verstummten.
Riff achtete nicht im Geringsten auf ihn. »Ein Geist! Er hat mich berührt!« Sie sprang auf und lief davon.
»Wer da?«, rief der Offizier.
Jetzt zeichnete sich seine Silhouette vor dem Fenster ab. Col konnte zwar keinen Geist sehen, wohl aber, dass die Person gerade ein Bein hob, um über das Fenstersims zu klettern.
Er sprang auf und stolperte Riff auf dem klumpigen Erdreich hinterher. Am Ende des Raums befand sich ein weiterer Durchgang.
»Wer da?«, donnerte der Offizier aufs Neue. Er war immer noch hinter ihnen her.
Im nächsten Raum war es fast völlig dunkel, und über allem hing ein penetranter Geruch von Schimmel und Verwesung. Riff rannte und schlug mit den Händen um sich, als wäre ihr ein namenloses Grauen auf den Fersen, und verschwand in einem weiteren Durchgang.
Col stieß sich das Schienbein an einer Steinplatte. Es schmerzte ziemlich, aber er rannte weiter. Der dritte Raum war stockdunkel. Die abgestandene Luft klebte ihm in der Kehle wie trockener Filz.
»Wo bist du?«, flüsterte er.
»Hier«, kam es mit dünner, verängstigter Stimme zurück. Sie war in der Mitte des Raums stehen geblieben.
Er ging vorsichtig auf sie zu, immer auf der Hut vor möglichen Grabsteinen.
»Ah!«, rief sie, als er gegen sie stieß.
Sie
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