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den Leuten einfach »Er ist sehr lang und hat etwas mit Sicherheit zu tun« sagte und ihnen dann seine Karte in die Hand drückte. Da das Symposium an der Georgia Tech einberufen worden war, um neue Erkenntnisse auszutauschen und über die Gefahren für das Internet zu diskutieren, war ihm eine Teilnahme sinnvoll erschienen. Im Jahr 1998 , bei Gründung der ICANN als zentrale Stelle für die weltweite Zuweisung und Überwachung von Domainnamen und -zahlen, hatten Sicherheitsfragen keine zentrale Rolle gespielt. Da aber die Schadsoftware sich technologisch weiterentwickelte und immer größere Probleme bereitete, bedeutete die Stellung der ICANN als einziger internationalen Organisation mit irgendeiner Autorität über das Internet, dass Johns Sicherheitsjob mehr und mehr an Bedeutung gewann. Die Konferenz an der Georgia Tech war ein Versuch, die unterschiedlichen Akteure zusammenzubringen, die sich Sorgen wegen dieser Bedrohung machten, und John hatte mitgeholfen, sie zu organisieren. Zu dem abendlichen Austausch mit der »Kabale« hatte ihn sein Chef mitgeschleppt, ICANN -Präsident Paul Twomey.
Als sein Boss ihn dann als ICANN s Verbindungsmann zur »Kabale« vorschlug, hatte John das geantwortet, was ein Mann, der seinen Job liebt, in einer solchen Situation sagen kann: Ja, Sir. Äh … also … von was genau reden wir hier?
Die konkrete Aufgabe für John an jenem Abend lautete, China mit an Bord zu holen, da die neu aufgetauchte B-Variante auch die chinesische . cn - TLD benutzte und die meisten infizierten Rechner dort standen – und weil niemand sonst im Raum die geringste Ahnung hatte, wie man es anstellen könnte, das Reich der Mitte zur Kooperation zu bewegen (Rick Wesson hatte die Gruppe zu diesem Zeitpunkt noch nicht über seinen eigenmächtigen Vorstoß Richtung China informiert). Vielleicht lag es ja an Ricks nicht autorisierter Kontaktaufnahme mit den Chinesen, jedenfalls erwies sich die Aufgabe als weitaus einfacher, als sie alle, John eingeschlossen, sich das vorgestellt hatten. Ein paar Telefonanrufe und zwei, drei E-Mails genügten.
Gleichwohl eilte John nun der Ruf voraus, Wunder wirken zu können, und als Conficker C den Einsatz von 250 auf 50 000 Domains täglich und die Liste der anvisierten TLD s von acht auf 116 hochschraubte, richteten sich einmal mehr alle Augen auf ihn. Er gab einen phantastischen Botschafter ab, kommunikativ, umgänglich, witzig, ein Mann, der einen guten Whisky zu schätzen weiß und gerne über Musik redet. Dabei sieht man John seinen immensen – genau genommen einzigartigen – Sachverstand, was die internationalen Verflechtungen des Internets angeht, nicht an. Das Internet ist noch so jung, dass selbst die Leute, die seinen Job machen könnten, unmöglich über seine Kontakte und Erfahrungen verfügen können.
John hat ein breites Gesicht mit einem kleinen, schmalen Mund, dichte, hoch gewölbte Augenbrauen und glattes, dunkles Haar mit ausgeprägten Geheimratsecken. Das streng zurückgekämmte Haar verleiht ihm in Kombination mit den Augenbrauen ein leicht diabolisches Aussehen, was aber täuscht, da er in Wahrheit ein überaus fröhlicher und grundehrlicher Mensch ist. Aufgewachsen in den East Midlands von England, entwickelte er schon als Jugendlicher eine erstaunliche Vorliebe für amerikanische Country- und Rockabilly-Musik aus den 1950er Jahren. Lange bevor er auch nur daran dachte, in die Vereinigten Staaten zu ziehen, lief er schon in Cowboystiefeln und -hemden durch die Gegend, was ihm bei seinen Freunden den Spitznamen »T ex« einbrachte. Ungefähr zur selben Zeit hatte er angefangen, sich mit Computern zu beschäftigen, mit seinem Bruder und seinem Vater Videospiele wie Star Trek gespielt und den Mainframe-Computer von British Gas, dem Arbeitgeber seines Vaters, angezapft. In den drei Jahrzehnten, die seitdem vergangen waren – er war jetzt 43 – , hatte er Maschinenbau studiert und sich zu einer Zeit, als das Internet gerade das Laufen lernte, auf die Arbeit mit Computernetzwerken spezialisiert. Inzwischen in etwas edlere Cowboystiefel und -hemden gekleidet, jettet John für die ICANN als der Hat-etwas-mit Sicherheit-zu-tun- Mann um die Welt. Wenn er nicht gerade unterwegs ist, arbeitet er an einem Schreibtisch, der in einer Nische eines ansonsten ungenutzten Zimmers in seinem Haus im südkalifornischen Long Beach steht. Dort hat er sich auf der Suche nach dem perfekten Wetter niedergelassen – »In Amsterdam arbeitete ich mit
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