Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus
der bedeutendsten historischen Romane des 19. Jahrhunderts.
Hugos ausladende Reflexionen thematisieren die spätmittelalterliche Ideenwelt in einer Weise, dass zugleich auch die geistige Situation seiner Zeit problematisiert wird.
Der Tod seines Vaters am 28. Januar 1828 und der Misserfolg des Dramas »Amy Robsart« warfen Hugo kaum zurück. Vielmehr stürzte er sich geradezu in die Arbeit, sodass das Jahr 1829 wohl sein produktivstes war. Zunächst erschien der Gedichtband »Aus dem Morgenland«, der auf der von Lord Byron und dem griechischen Freiheitskampf ausgelösten Orientalismuswelle schwamm, wobei Hugo gleichzeitig auf die Versmaße des Renaissancedichters Pierre de Ronsard zurückgriff. Den Roman »Der letzte Tag eines Gerichteten« musste Hugo später mit einem Vorwort versehen, damit sein Plädoyer gegen die Todesstrafe deutlicher wurde, denn das Buch besteht überwiegend aus einem inneren Monolog des Verurteilten. Das Drama »Marion De Lorme« über eine Kurtisane zur Zeit Ludwigs XIII. wurde zunächst verboten. Auch die Arbeit am »Glöckner von Notre-Dame« nahm in diesem Jahr ihren Anfang. Das Versdrama »Hernani, oder die castilianische Ehre« über einen spanischen Geächteten und Banditen, das durch eine Mischung aus höfischer und volkstümlicher Sprache provozierte, wurde ebenfalls größtenteils 1829 geschrieben. Die regelmäßig von – teilweise inszenierten – Tumulten begleiteten Aufführungen von »Hernani« machten Hugo berühmt, den Roman sogar populär. Chateaubriand trat ihm den Rang an der Spitze der französischen Literatur nach einer Aufführung mit den Worten ab: »Je m’en vais, Monsieur, et vous venez« (»Ich trete ab, mein Herr, und Sie kommen«).
RUHM UND ANERKENNUNG
Victor Hugo hat viel dazu beigetragen, die Sprache der Gefühle auf der Bühne und in der erzählenden Literatur hoffähig zu machen. In den beiden letzten Werken fand sich auch das Thema, das Hugo in Variationen immer wieder beschäftigen sollte: die unheilvolle Art, auf die sich menschliche Leidenschaften und gesellschaftliche Kräfte in das (göttliche) Schicksal mischen. Mit dieser Interpretation des menschlichen Lebens gelang es Hugo, den unterschiedlichsten Personen und Anliegen seine Sympathie zu versichern, ohne doch jemals einer Partei oder Sache eindeutig angehören zu müssen. Gerade noch Sprecher der Helden im Kampf um die Freiheit und Spötter auf die Monarchie, etwa in »Der König amüsiert sich« (1832), erlangte er schon bald die Gunst der Herzogin von Orléans. Bei den Proben zu »Lucrezia Borgia« lernte Hugo eine schöne, aber wahrscheinlich unbegabte Schauspielerin kennen. Da seine Frau Adèle eine Liebschaft mit seinem Dichterfreund Charles-Augustin Sainte-Beuve hatte, begann er 1833 ein Verhältnis mit Juliette Drouet, das 50 Jahre währen sollte.
›Nichts ist mächtiger als eine Idee zur richtigen Zeit.‹
Victor Hugo
Passend zur Julirevolution von 1830 hatte Hugo 1833 dem Drama »Marie Tudor« ein »Tagebuch eines jungen Jakobiners« beigegeben. In dem Jahr, als es zum Bruch mit Saint-Beuve kam, veröffentlichte er den Roman »Claude Gueux« (1834), der sich kritisch mit der Todesstrafe auseinander setzte. In dem Theaterstück »Ruy Blas« (1838) ließ er, in Alexandrinern sprechend, einen spanischen Minister gesellschaftliche Reformen durchführen, bis eine Intrige zur Katastrophe führt. Das Stück wurde ein passabler Erfolg, dennoch musste sich Hugo insgesamt vier Mal bewerben, bis er 1841 in die Académie française aufgenommen wurde. Der Dichter genoss nun seinen Ruhm und führte ein mondänes Leben. Er verkehrte am Hof des Bürgerkönigs Louis-Philippe, unternahm einige Reisen mit seiner Geliebten und begann zu zeichnen und Bühnenbilder zu entwerfen.
1842 veröffentlichte er »Notizen von einer Rheinreise«, einen Reisebericht in Briefform, in dem er großzügig Ideen aus einem Buch seines Bruders Abel, »La France pittoresque« (1835), aufgriff und verarbeitete. Durch den Misserfolg des Stückes »Die Burggrafen« im März 1843 fühlte er sich gekränkt und verzichtete lange auf das Schreiben von weiteren Theaterstücken. Im September desselben Jahres ereignete sich ein tragisches Unglück, das Hugo sehr mitnahm: Wenige Monate nach ihrer Heirat ertranken seine Tochter Léopoldine und ihr Ehemann Charles Vacquerie in der Seine bei Villequier. Einige der Gedichte, in denen Hugo ihren Tod beweinte, finden sich in den »Les contemplations« (1856). Hugo tröstete sich auch
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