Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus
großen Vorbild: »Je veux être Chateaubriand ou rien« (»Ich möchte Chateaubriand sein oder nichts«). Und Chateaubriand feierte ihn wiederum als »das erhabene Kind« – das ihn spätestens mit »Hernani« (1830) in den Schatten gestellt habe.
Ein besonderer Förderer wurde sein ältester Bruder Abel, der das außergewöhnliche Talent Victors erkannt hatte. Er meldete ihn 1817 bei einem Wettbewerb der Académie française an, bei dem Victor lobende Anerkennung fand. Nach der Scheidung der Eltern 1818 konnte Victor zu seiner Mutter zurückkehren und mit einem Jurastudium beginnen. In diesem Jahr gewann Eugène den Dichterwettstreit in Toulouse und der Vater schrieb ein Pamphlet gegen den Sklavenhandel. Im folgenden Jahr gewann auch Victor den Dichterwettstreit (1820 ein weiteres Mal), und er schrieb »Bug Jargal«, eine Erzählung im Stil Chateaubriands über einen Sklavenaufstand in Santo Domingo, die dann im Mai und Juni 1820 in dem von Abel gegründeten »Conservateur Littéraire« erschien. Bis zum nächsten Jahr veröffentlichte Victor Hugo dort 112 Artikel und 22 Gedichte.
Obwohl Victor wusste, dass Eugène heimlich in ihre frühere Spielgefährtin Adèle Foucher aus Paris verliebt war, setzte er alles daran, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, was ihm auch gelang. Der Widerstand seiner Mutter gegen diese Verbindung erhöhte für Victor den Reiz der Romanze. Bereits kurz nach dem Tod von Sophie Hugo am 27. Juni 1821 verlobte sich das Paar. Der Vater von Victor Hugo billigte die Verbindung und im Gegenzug erkannte sein Sohn dessen Beziehung zu Catherine Thomas an. Die Erfahrung der Liebe forderte Victors lyrische Begabung heraus, sodass neben die Oden mit royalistischen Themen nun auch andere Gedichte traten. Die Sammlung »Odes et poésies diverses« brachte ihm eine königliche Gratifikation ein, und so konnte mit diesem finanziellen Rückhalt am 12. Oktober 1822 Hochzeit gehalten werden – Eugène fristete seit diesem Tag sein Leben in einer Nervenheilanstalt.
Da es sich von der Schriftstellerei besser leben ließ, wenn man den Geschmack der Zeit bediente, schrieb Victor Hugo 1823, nach dem Vorbild von Ann Radcliffe und Walter Scott, den Schauerroman »Han von Island«. Begeistert von diesem Werk, lud ihn Charles Nodier ein, an seinem Dichterzirkel, dem ersten »Cénacle«, teilzunehmen, zu dem auch Alfred de Vigny gehörte. Hugo veröffentlichte in der nächsten Zeit weitere Oden und 1826 eine überarbeitete Fassung von »Bug Jargal«. Im Jahr zuvor war Victor Hugo zur Krönung Karls X. geladen und wenig später zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden. Sein am 3. November 1826 geborener Sohn erhielt daher den Namen Charles – der erste Sohn Léopold war bereits nach zwei Monaten gestorben. Mit der 1824 geborenen Tochter Léopoldine war der Name seines Vaters gewürdigt worden. 1828 wurde dann François-Victor und 1830 Adèle geboren.
WANDLUNG ZUM ROMANTIKER
Die Versöhnung mit dem Vater hatte Victor Hugo mit zunehmender Begeisterung für Napoleon erfüllt, und beeindruckt vom Erfolg der romantischen Oper »Der Freischütz« von Carl Maria von Weber sowie von der Shakespeare-Renaissance, griff er ein historisches Thema auf, gestaltete es im Stil Shakespeares und versah es mit einem provokativen Vorwort. Das Drama »Cromwell« wurde zwar erst 1956 aufgeführt, aber das Vorwort wirkte nach seinem Erscheinen im Dezember 1827 als Manifest der romantischen Bewegung in Frankreich. In einer Absage an die Regeln des klassischen Dramas forderte Hugo die Verbindung von Tragik und Komik bis hin zum Grotesken.
»DER GLÖCKNER VON NOTRE-DAME«
Schon im Frühwerk Victor Hugos sind subjektives dichterisches Anliegen und gesellschaftlich-politische Intention miteinander verbunden.
Als antiklassisch eingestellter Exponent der Romantik forderte Hugo, die Trennung der Gattungen der Literatur aufzuheben und sich nicht auf die Darstellung des Schönen und Guten zu beschränken. Stattdessen solle man anerkennen, dass »das Hässliche neben dem Schönen existiert, das Ungeregelte neben dem Anmutigen, das Groteske als Kehrseite des Erhabenen, das Schlechte mit dem Guten, der Schatten mit dem Licht«.
Diese Ideen setzte Hugo in seinem 1831 erschienenen Roman »Notre-Dame de Paris«, in Deutschland bekannt als »Der Glöckner von Notre-Dame«, um. Die 1482 spielende melodramatische Geschichte um den düsteren Dompropst Frollo, den verkrüppelten Glöckner Quasimodo und die schöne Zigeunerin Esmeralda ist einer
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